Magic Madurai

Höflicherweise greifen die Menschen in Madurai nur nach dem obersten roten Ball.
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Je länger Petra hier ist, umso öder findet sie ihre eigenen Klamotten.
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Diese Frau lächelt aus Dummheit. Sie ahnt nicht, dass Briefkästen in Indien nur der Dekoration dienen. Alle anderen wissen: Indische Post kommt nur an, wenn der Postmitarbeiter sie vor den eigenen Augen abgestempelt und in den richtigen Sack getan hat.
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Petra weiß schon beim Aufstehen, was sie hier bestellt. Das Sri Sabareesh Tagesmenü.
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Eines von vielen Thalis auf Bananenblättern im Sri Sabareesh. Das ist ohne Witz das beste Essen der Welt.
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Wir überlegen zu Hause ähnliche Blumenornamente zur Mittagszeit aufzulegen.
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Petra ist ein geselliger Mensch und findet schnell neue Freunde. Heute: im Erlebnispark neben dem Ghandi-Museum.
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Ghandi war ein super Typ, hatte aber leider eine Sauklaue.
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Kölner wissen: Elf Gesetze, das ist eine gute Zahl.
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Ghandi kann man in dieser Stadt auch rauf und runter lassen.
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Anne erlebt ein neues erstes Mal. Diesmal mit Jack’s Frucht.
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Für Petra ist der Sri-Meenakshi-Tempel der schönste, den sie je gesehen hat. Anne findet ihn schon deswegen super, weil er so vielen Tauben ein Zuhause bietet.
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Anne hat wegen Christopher nicht so viel vom Tempel mitbekommen. Denkt Petra.
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Gläubige finden hier die Erklärung für Multitasking. Für Ungläubige wirft dieser Tempelausschnitt anatomische Fragen auf.
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Petra grinst nur, weil sie davon ablenken will, dass sie keine Ahnung hat, wat der Driss mit dem Pöttchen im Pöttchen soll.
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Büdchen auf Indisch.
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Honni und Breschnew im Karnevalskostüm?
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Trichy? Tipptopp!

Eine Elvis-Inkarnation in Indien? Für Anne Grund genug, wieder an das Gute im Manne zu glauben. Und das auf der Fahrt von Chidambaram nach Tiruchirappalli, kurz Trichy.
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Ob Trichy viele Menschen zum Weinen bringt? Der Weg in die Innenstadt führt jedenfalls über die Zwiebelstraße.
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Da sage noch mal einer, kariert und gestreift ginge nicht zusammen.
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Erst nach dem Foto erfuhr Anne, dass es sich bei dem Segnungsmal auf ihrer Stirn um abgeflammten Kuhfladen handelte. Petra war froh, dass sie es abgelehnt hatte, da sie sich selbst für Gott hält.
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Der Rock Fort Temple ist nach einem berühmten Käse benannt. Diesen gibt es in ganz Indien aus religiösen Gründen nicht zu kaufen. Glaubt ihr’s?
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Anne ist begeistert von den lebensnahen Taubenskulpturen auf dem Tempeldach.
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So sehen Tempeltoiletten aus.
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Poori Masala: Annes Brot geht fein aufs … äh, ins Töpfchen.
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Wir fragen uns, ob man sauberer aus dem Fluss kommt, als man hineingestiegen ist. Scherz beiseite: Dies ist eine Totenzeremonie.
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Ziegen sind willige Anhänger des Hinduismus. Jedenfalls, solange es Bananenblätter gibt.
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Anne gefällt der Tempel. Petra das Gerüst.
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Noch grinst Petra. Dann bekommt sie vom Tempelelefanten eine gewischt.
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Szenen einer Ehe: Unser Fremdenführer Tamila und Petra stellen pantomimisch dar, wie es drei Monate nach der Hochzeit zwischen Mann und Frau aussieht. Nicht mehr Hand in Hand, wie beim Honeymoon, sondern nebeneinander her, wie es sich gehört.
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Next point: Madurai!
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I can get no disinfection

Chidambaram. Lautmalerisch steht der Name dieser Stadt bestimmt für „Tschingderassabum“.
Die Heimat des angeblich heiligsten Shiva-Tempels zeichnet sich nämlich durch ihren enormen Klangteppich aus. Wenn man Glück hat, mischen sich ins Motorenknattern noch schepperige Klänge aus einem Lautsprecher. Und das Wort Hupkonzert bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Wer direkt an der Straße beim Tempeleingang wohnt, hat die ganze Nacht Spaß. Und auch Gäste, die in den Seitengassen residieren, kommen voll auf ihre Kosten, wie wir schnell merken.

Bisher hatten wir mit dem erstbesten Zimmer stets Glück. Hoffentlich ist das hier auch so. Von der langen Busfahrt aus Pondicherry sind wir wirklich geschlaucht.

Das „Saradharam“ ist laut Reiseführer die beste Adresse.
„Aber das liegt neben dem Busbahnhof“, sage ich. „Ist doch bestimmt viel zu laut.“
Petra zuckt mit den Schultern. „Wie du magst. Wir können auch erst was anderes anschauen.“

Die zweite Adresse, das Hotel Akshaya, liegt in direkter Nähe zum Tempel. Wie praktisch!
Von außen schaut es ganz manierlich aus. Der Eingang liegt in einer lauschigen Tiefgarageneinfahrt. In der Rezeption erwartet uns ein gelangweilter Portier. Er drückt dem Pagen einen etwas ranzig wirkenden Schlüssel in die Hand, worauf der uns in den zweiten Stock führt. Das Zimmer ist von überschaubarer Größe und hat ein Bad, in dem sich selbst Oscar aus der Mülltonne nicht lange aufhielte. Die Nachttischchen sind von einem Fettfilm überzogen, unsere Schuhe kleben am Boden. Och nö.

In der Mansoor Lodge auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt Petra beim Betreten des Zimmers einige Kakerlaken von beeindruckender Vitalität. Es ist ist dunkel.

Das Hotel Grand Park hingegen ist beleuchtet wie ein Casino in Las Vegas, und auch hier ist der Artenvielfalt Tür und Tor geöffnet. Genauer gesagt: Fenster – denn der Insektenschutz vor selbigem hat ein Loch, durch das auch faustgroße Krabbler ohne Mühe Kontakt suchen können.

Wäre ein Aufenthalt im Ritz gleich um die Ecke überhaupt erschwinglich? Der Reiseführer lobt es als das beste Hotel am Platz. So nobel wollen wir eigentlich nicht wohnen, aber es ist spät und wir sind erschöpft. Das Zimmer ist selbst ohne Moskitonetz und mit der Funzel, unter der bereits einige Mücken kreisen, bezaubernd. Es hat nur einen kleinen Schönheitsfehler, nämlich keine Dusche. Wir lehnen ab.

„Haben wir zu hohe Ansprüche?“ Ich kann nicht verhindern, dass ich latent verzweifelt klinge.
Petra grinst. „Diese verweichlichten Touristen von heute halten wirklich nix mehr aus.“ Zumindest sie hat sich ihren Humor bewahrt.

Der Zimmerjunge des Ritz deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. Das RK Residency – ein heißer Insidertipp!

Mit Sack und Pack beladen kraxeln wir die Treppen hinauf. Das Zimmer ist, abgesehen von den schmuddeligen Laken, von herausragender Sauberkeit.
Man sagt ja, alles sei relativ.
„Wat wells de maache?“, fragt Petra und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Ich kann nicht mehr.“ Sie lässt sich aufs Bett plumpsen.
Ich schnalle mir den schweren Rucksack ab.
Wir bleiben. So erledigt, wie wir sind, bekommen wir von der Unterkunft sowieso nur sehr wenig mit.

Bei einem kleinen Stadtrundgang bekommen wir Appetit. Der Reiseführer schlägt das Anupallavi vor, ein Restaurant, das zum Hotel Saradharam gehört.
„Kommt mir irgendwie bekannt vor“, sage ich.
„Das ist das neben dem Busbahnhof“, meint Petra. „Da war’s uns zu laut.“
An die Klangkulisse haben wir uns inzwischen gewöhnt, da kann auch der Busbahnhof nicht mehr schrecken. Und beim Essen stört das Gehupe ja auch nicht.

Das Hotel liegt etwas zurückgesetzt hinter einer Tanke, aber der Eingang sieht respektabel aus. Nebenan befindet sich das Restaurant, das ein ausgesprochen scharfes, aber umso schmackhafteres Gemüsecurry im Angebot hat. Beschwipst von den Gewürzen, beschließen wir uns nur so zum Spaß mal ein Zimmer anzusehen. Der Portier ist freundlich. Es ist sauber. Das Bettzeug hat nur wenige Löcher. Es riecht allenfalls dezent nach Abfluss im Bad. Hat aber eine Dusche. Die Insekten sind, wenn welche da sind, keine Rampensäue. Und es gibt W-LAN! Verglichen mit allem, was wir heute gesehen haben, ein Palast.

Kurzerhand holen wir unser Gepäck aus dem RK Residency und checken im Saradharam ein.
„In Chidambaram gilt jedenfalls: Et hät noch immer jot jejange!“, denke ich noch, als wir im Bett liegen. Und dann fallen mir auch schon die Augen zu.

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Puducherry, Cherry Lady

„Nennen wir es denn jetzt Pondicherry oder Puducherry?“, fragt Petra.
Ich zucke mit den Achseln. „Keine Ahnung … Pondicherry? Pudu klingt in meinen Ohren etwas nach Pudel – und cherry, kommt das von Kirsche oder von Chérie?“

Diese Umbenennerei – Bombay in Mumbai, Madras in Chennai – ist verwirrend. Ja, sicher ist es sinnvoll, sich von den ehemaligen Besatzern durch die indischen Städtenamen abzugrenzen. Aber ändert das nicht genau so wenig wie die Umbenennung vom Arbeitsamt in „Ihre Agentur für Arbeit“, wenn die meisten Einheimischen, mit denen wir gesprochen haben, nach wie vor die alten Namen verwenden?

Ob Pondi oder Pudu, in der ehemaligen Hauptstadt von Französisch-Indien fühlen wir uns sofort pudelwohl. Es mag an den farbenfrohen Kolonialbauten in der Altstadt liegen, am geschäftigen Treiben oder auch daran, dass der Wirt vom Guest House Taucher ist wie ich (eine kleine Fachsimpelei über die besten Tauchgebiete ist im Check-in inbegriffen) – und seine Frau gutes Englisch mit französischem Akzent spricht. (Eigentlich ist dieser Blog werbefrei, aber hier ist es einfach zauberhaft: www.dumasguesthouse.com. Wann immer ihr mal in der Gegend seid: Mit seinem grünen Innenhof, den schön gestalteten Zimmern und dem freundlichen Service ist das Dumas Guest House eine gute Wahl.)
In jedem Fall freuen wir uns auf die Zeit, die wir hier verbringen werden. Und wir sehen – nach langer Zeit der Abstinenz – einem Event besonders entgegen: einem gemütlichen Glas Wein am Abend.

Wie wir darauf kommen, dass es hier guten gibt?
Pondi ist wie Kölle: Der Ashram von Sri Aurobindo ist so in die Stadt verwoben und so reich, dass er uns an den Kölschen Klüngel erinnert – die Stadt ist sozusagen auromatisiert. Auch in Puducherry ist kürzlich ein öffentliches Gebäude eingestürzt – allerdings das Rathaus, nicht das Stadtarchiv. Und Pondi teilt mit Kölle die französische Besatzungsvergangenheit.

Wegen dieser französischen Vergangenheit soll man hier einen guten Wein bekommen können, besser als an jedem anderen Ort in Indien. Also machen wir uns, als es dunkel wird, auf in eine vergleichsweise noble Bar in der Nachbarschaft unseres Guest House.

Ein junger Mann im gestärkten weißen Hemd und schwarzer Kellnerhose bringt uns die Karte.
„We have three red wines“, erklärt er, schlägt die Karte auf und deutet mit der rechten Hand auf die Auswahl an Weinen. „Which one you prefer?“
Petra und ich schauen näher hin. Ein südafrikanischer mit Mountains im Namen, ein Rioja und der Hauswein ohne genaue Herkunftsbezeichnung.
„We like the South-African“, sagt Petra, nachdem wir uns kurz beraten haben. Südafrikanische Weine halten wir beide für narrensicher.

Der Kellner geht und kommt kurze Zeit darauf zurück mit einer Serviette über dem Arm und einer Flasche mit Schraubverschluss, die er uns mit höflicher Geste präsentiert. Mit Schmackes stellt er zwei Gläser auf den Tisch und schenkt in eines einen Schluck Wein ein.
Petra trinkt und reicht mir das Glas.
„Das schmeckt ja grauenhaft“, sagt sie, in einem Ton, als würde sie einfach nur interessiert mein fachliches Urteil einholen. „Ich bin zwar kein Weinkenner, aber das kriegt doch kein Mensch runter. Probier mal.“
Ich nehme das Glas und trinke. Wirklich erstaunlich, irgendwie … toxisch.
„Sorry, we don’t like it“, sagt Petra, aber so schnell will sie nicht aufgeben. „Can we try the Spanish wine, Mister?“
Es dauert keine Minute, bis er uns eine weitere Flasche präsentiert. Die Geste, mit der er elegant eine Kostprobe einschenkt, verheißt einen trockenen Rotwein mit Aromen von Kirschen und Vanille.
Ich nippe und bin mir sofort klar: Dagegen schmeckt der billigste Fusel wie die Nummer eins im Gault Millau.
„Äh, was machen wir denn jetzt?“ Ich schaue Petra hilflos an. „Was, wenn uns der dritte auch nicht schmeckt?“
„Der muss doch gut sein“, sagt sie. „Immerhin ist es der Hauswein, und den muss man als Restaurant sorgfältig auswählen. Sonst zeigt man, dass man keine Ahnung hat.“
Sie sieht den Kellner mit unschuldigem Blick an. „Sorry, can we taste the house wine?“
Der Kellner lächelt angestrengt und bringt die dritte Flasche.
„You like it?“, fragt er.
Petra und ich nehmen jeder einen Schluck. Es schmeckt, als wenn jemand Traubensaft mit Motoröl versetzt hat.
Wir sehen uns an.
„Den können wir doch nicht bestellen“, sagt Petra. „Davon kriege ich keinen Tropfen runter.“
Aber wie vermitteln wir das dem Kellner?
„It tastes like … petroleum“, sagt Petra nach kurzem Zögern und schenkt dem Kellner ihr schönstes Lächeln. „Can we have a beer instead?“
Der Kellner wirkt ein wenig perplex, bleibt aber freundlich. „Sure, Madam.“
Als er weg ist, muss ich lachen. „Petroleum?“
„Naja“, meint Petra. „Soll man lügen?“

Als der Kellner zwei Fisherking-Biere bringt, sagt sie: „Spiritus sollte man nicht aus Rücksicht auf die Gefühle des Kellners trinken. Sondern lieber etwas, das Leib und Seele zusammen hält: Mer muss sich och jet jünne könne.“
Und mit diesen Worten stoßen wir an. Zwar nicht wie echte Ladys, weil die vielleicht auch das Wein-Desaster mit Würde genommen hätten. Dafür aber mit dem guten Geschmack nach Bier auf der Zunge, Chérie.

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* Nachtrag vom 01.02.2024:

Diese Zeilen zur Um- und (im Fall von Puducherry) Rückbenennung kommen mir heute nicht nur zu flapsig vor, ich finde sie ignorant. Zehn Jahre sind seitdem vergangen. Ich hätte damals mindestens erwähnen können, dass in der lokalen Sprache Tamil „Puducherry“ (புதுச்சேரி) „neues Dorf“ bedeutet. Ich hätte mich besser über die Auswirkungen des Kolonialismus informieren können, die Puducherry ab 1673 erlitt: Dann nämlich, als die Französische Ostindienkompanie dem Sultan von Bijapur das Städchen am Meer abkaufte. Ein ganzer Ort – nun einfach im Besitz von Kaufleuten! Wirtschaftsinteressen und Fremdherrschaft, die das Schicksal der Menschen dort bestimmen. Habe ich nicht geschrieben – ich war bedauerlicherweise zu sehr mit den unmittelbaren Eindrücken der Reise beschäftigt, also mit mir selbst.

In den letzten Jahren habe ich vieles nachgeholt und mir Gedanken gemacht. Und mich viel mit Fragen der Wirkung von Sprache beschäftigt, mit Rassismen in der Sprache, mit Gendergerechtigkeit und anderem. Ich habe selbst wahrgenommen, wie gut eine gerechtere und achtsame Sprache tut. Und wie verletztend und einschränkend verächtliche Kommentare und Fremdbezeichnungen sein können. Umso wichtiger finde ich heute, die Rückbenennung von Pondicherry in Puducherry ernst zu nehmen. Diese als verwirrend abzutun – damit habe ich es mir zu leicht gemacht.

Die Kolonialzeit prägt nicht nur das äußere Erscheinungsbild von Puducherry bis heute. Der Kolonialismus hat weltweit Wunden hinterlassen, vielerorts instabile Regierungen, wirtschaftliche Schwäche und andauernde Konflikte (wie etwa zwischen Indien und Pakistan) ausgelöst. Gerade Weiße Menschen, die in Europa geboren wurden und deswegen durch die Auswirkungen des Kolonialismus bis heute in vielerlei Weise privilegiert sind, sollten diesem Umstand mehr Aufmerksamkeit schenken, ihm mit mehr Demut und Anstand begegnen. Doch wir haben durch unsere Sozialisation, unser Umfeld häufig einen eingebauten Sehfehler: Wir sehen unsere Privilegien nicht.

Was wir in Puducherry zumeist auf den ersten Blick schön finden (vermutlich auch, weil es uns vertraut vorkommt), sind eigentlich Narben, die kaum verheilt sind. Die Gebäude, die wir im Vorübergehen bewundern, wurden von reichen Weißen Menschen gebaut und bewohnt, die Land und Leute geringschätzten, sie als Wirtschaftsgut betrachteten und ausbeuteten. Wie anders sähe eine Stadt wie Puducherry heute aus, hätte sich die Kolonialzeit nicht dort abgespielt, die Franzosen sich nicht daran bereichert? (Ich verwende hier nur den männlichen Begriff, denn all dies spielt sich unter einem französischen König, französischen Handelsherren und, was Puducherry angeht, insbesondere unter dem französischen Generalgouverneur François Martin ab.)

Das Nichtwissen oder auch: touristische Nichtwissenwollen und Abschütteln, die Ignoranz, die ich in meinem Text heute wahrnehme, macht mich demütig, sie beschämt mich beim Lesen. Ich hätte das in meiner Geschichte beheben können, hätte so tun können, als hätte ich es nie geschrieben. Aber wir alle können lernen. Und um das zu zeigen, lasse ich den Text oben so stehen und schreibe lieber meine heutigen Gedanken als solche auf.

Danke fürs Lesen! Anne

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