Backwaters: Backbord und Steuerbord

Kollam ist sehr hässlich. Die Landschaft drumrum geht so.
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Einigen gehen die Backwaters wirklich am Arsch vorbei.
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Malerische Ansichten sind schön, machen aber dem Modell viel Arbeit.
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Boah, ist das übertrieben. Jetzt muss es sich auch noch spiegeln.
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Endlich: eine hässliche Brücke.
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Über rosa Brücken musst du gehen. Jedenfalls, wenn du zum Ashram willst.
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Bridge über untroubled water.
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Anne wurde eingesperrt. Aber Schwamm drüber.
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Entgegen anderslautenden Gerüchten hat Petra zwei Tage im Ashram verbracht. Nicht in der Ausnüchterungszelle der örtlichen Polizei.
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Am ashrameigenen Strandabschnitt kommt die frische Brise vom Meer, nicht vom Müll.
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Bei so viel Spiritualität fühlt sich Petra ganz klein.
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Der Clown weiß: Wir sind alle nur Sandkörner am Strand des Lebens.
Und aus einigen von uns werden Lingams.
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Petra bedauert es ausgesprochen, den Ashram verlassen zu müssen.
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Warteschlange am chinesischen Fischernetz für alle, die das Seafood-Menü gewählt haben.
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Das müssen Petras Fans sein. Denn Annes sind grau und heißen Tauben.
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Für Hindus wird das Mittagessen gleich mit der Tageszeitung ausgeliefert: äußerlich und räumlich nah beieinander – geschmacklich liegen Welten dazwischen.
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Als Seemann ist man auf den Backwaters Mädchen für alles: Auch für Seerosen, die sich in der Schiffsschraube verheddern.
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Nix als Landschaft. Auch bei Sonnenuntergang sosolala.
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Auf einem Jahrmarkt in Alleppey treffen wir Petras Lieblingsdiscostars aus den Siebzigern.
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Noch Fragen?
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Kokosnusskäfer werden bis zu zwei Meter groß. Leider können wir das nicht beweisen.
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Die Backwaters versprühen an manchen Tagen den stillen Charme einer sechsspurigen Autobahn.
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Willkommen bei unserem Bootsmann daheim. Mutti hat gekocht.
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Die Reiskantine ist gleich nebenan.
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Anne hat die Nase heute passend zum Hut ihrer Mitreisenden gewählt.
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Suchbild mit Reihern.
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Heinz, isch sage dir: Dat Wasser wird auch nit frischer.
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Samosa-Drive-In.
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Landschaft, Landschaft, Landschaft. Wann sind wir endlich wieder in Kölle?
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Plötzlich fällt Petra auf: Das Boot könnte mal wieder gestrichen werden.
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Noch glaubt Petra, dass Anne sie nicht belogen hat, als sie sagte: Es gibt nur ein Paddel.
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Och nee, ne?
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Bei diesem Anblick denkt Anne spontan an ihre Waschmaschine.
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Arbeit und Muse liegen dicht beieinander.
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Erna, halt die Kinder zusammen. Dat Floß kütt.
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Man glaubt es kaum, aber dies ist ein Kanal.
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Frohe Weihnachten.
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Dies ist der Beginn einer gierigen Zeit.
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Die Kleinfamilie und die große, dicke Frau.
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Noch mal: Schönes Fest!
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Zusatzartikel: „Nit alles, wat en Loch hät, is kapott“

„Such du dir einen aus“, sage ich zu Petra, immer noch ein wenig müde vom guten Essen im Coffee Temple in Varkala.
Wir haben beschlossen, mit dem Taxi nach Kollam, dem früheren Quilon, zu fahren. Die Kerle mit den kleinen Wagen stehen erwartungsvoll in einer Reihe.
„Wann hat man das schon mal?“, meint Petra. „An Männern mangelt es hier ja nicht.“
Und das gilt nicht nur für Taxifahrer.
Viel mehr Männer als Frauen hängen auf der Straße ab.

Auch das beste Stück des Mannes ist überrepräsentiert. Viele der Tempel in Tamil Nadu sind dem Lingam von Shiva gewidmet. Es gibt Steinpenisse in allen Größen und für jeden Geschmack. Sogar der Lonely Planet verspritzt angesichts schöner Exemplare eine Ladung fast poetisch anmutender Worte: Der Strandtempel in Mamallapuram habe zwei Dächer, las ich dort, auf deren Spitzen Shivas Penisse prangen, und diese „original Lingams fangen den Sonnenaufgang und -untergang wunderbar ein.“ Wie soll denn in so einem Penis was untergehen? Dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist, wissen im Grunde auch die Hindus. Manchmal wird der Lingam daher mit Yoni drumherum dargestellt – dann baden die Priester und Gläubigen die Skulptur auch gern mal in flüssiger Butter. Im Sri-Menaakshi-Tempel in Madurai wurde allerdings jüngst der gute Brauch verboten, dass die Gläubigen mit Butterkugeln nach dem besten Stück warfen: wegen der Rutschgefahr.

Der Geschlechtsakt ist also in Indien von kulinarisch-spiritueller Bedeutung: Mit kopulierenden Penissen und Vaginas wird die sexuelle Energie angebetet, die zur Erleuchtung führen soll, so hat es mir Christopher erklärt. So schön das klingen mag, die Einheit von Männlichem und Weiblichem und Göttlichem – im indischen Alltag findet man sie nicht wieder.

Männer rufen uns hinterher, ziehen uns in Läden und schieben sich durch die öffentlichen Verkehrsmitteln. Viele sind freundlich, aber manche rotzen auf die Straße, sind laut und schubsen uns beiseite. Diese Männer behandeln uns wie lästige Fliegen. Wie wir in Varkala an der Shoppingmeile erfahren haben, können auch manche Frauen nervig sein – aber sie sind einfach in der Minderheit.

„Ich habe gelesen, wie gefährlich es hierzulande ist, eine Frau zu sein“, sage ich, als wir die Rucksäcke verladen haben und schließlich in den Wagen steigen. Dabei denke ich an Vergewaltigungen, Brautverbrennungen und Touristinnenmorde. „Ich bin schon froh, dass wir zu zweit unterwegs sind.“

Fast jeder, dem ich zuvor von unserer Reise erzählt hatte, fühlte sich befleißigt, die Ängste vor dem Subkontinent zu schüren.
„Oh Gott, Indien!“
„Passt auf, dass ihr nicht vergewaltigt werdet!“
„Warum fahrt ihr nicht nach Teneriffa?“
Die Sorge von Freunden und Bekannten hat sicher mit dem Fall des brutalen Gang Rape einer 23-jährigen Studentin in Delhi im Dezember 2012 zu tun, der durch alle Medien ging. Aber auch ohne Gewalt sieht’s duster aus fürs so genannte schöne Geschlecht. Zwar haben die Frauen in Tamil Nadu und auch in Kerala größere Freiheiten als im Rest des Landes, aber von Gleichberechtigung ist das weit entfernt. Jeden Tag ist auf Seite eins der englischsprachigen indischen Zeitungen von einer Vergewaltigung zu lesen. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich doppelt so groß wie die meisten Männer bin. Was sonst den Kreis möglicher Partner verkleinert, ist hier ein großes Geschenk.

„Ach komm, denk mal an die Chinesin Delia, die wir getroffen haben“, erinnert mich Petra. „Der ging’s doch gut.“
Und auch die Belgierin im letzten Home Stay, denke ich. Aber Belgierinnen und Chinesinnen sind auch aus ganz anderem Holz geschnitzt. Die haut so leicht nichts um.

Was, wenn die gleichen Regeln aus Indien in Deutschland gelten würden? Dann hätte mein Arbeitgeber in Köln mich vielleicht bei Dienstantritt auf meine Jungfräulichkeit hin untersucht – so wie indische Frauen dies vor dem Eintritt in den Polizeidienst über sich ergehen lassen müssen. Oder ich hätte zwar studieren können, wäre aber bei Heirat natürlich ins Heim und an den Herd berufen worden. Nur 10 Prozent der Parlamentarier in Indien sind Frauen. Da ist doch mal eine Quote fällig.

„What’s your good name?“, fragt unser Fahrer.
Als er mir über die Lehne hinweg nach hinten die Hand reicht, ergreife ich sie. Davor warnt der Reiseführer, das weiß ich, aber manchmal mache ich es aus Reflex doch.
Habe ich mich geirrt, oder hat er gerade mit dem Daumen über meine Handinnenfläche gerieben?
Ach komm, das wird schon nichts bedeuten, denke ich mir. Das habe ich mir bestimmt eingebildet.

Nach einiger fruchtloser Plauderei, die an seinem schlechten Englisch scheitert, bei der wir aber erfahren, dass er ledig ist, setzt er uns vor dem Hotel in Quilon ab.
Der Hof vor dem Hotel ist triste, im Rinnstein liegen alte Plastiktüten und Orangenschalen.
Petra geht schon mal vor, um die Unterlagen auszufüllen, ich bleibe mit dem Fahrer zurück, um mich um die Bezahlung zu kümmern.
Ich drücke dem Fahrer einige Scheine in die Hand. Er ergreift meine Rechte, tätschelt mit der Linken zuerst freundlich meine Schulter, so als wollte er mich an sich ziehen. Mit einer aalglatten Bewegung fährt er mir dann plötzlich mit der Linken über meine Brust, ohne meine Hand loszulassen. Mitten auf der Straße, am helllichten Tag. Vor einigen Tagen habe ich Petra erklärt, da solle nur mal einer versuchen, mich anzutatschen. Und jetzt? Stehe ich da wie vom Donner gerührt. Meine linke Gehirnhälfte möchte ihm gerne eine knallen, meine rechte verharrt in der Schockstarre, während ich ihn seelenruhig in sein Taxi steigen und davonfahren sehe.

Petra, die aus dem Hoteleingang kommt, will gut gelaunt ihren Rucksack ergreifen. Sie sieht mich an. „Was ist denn?“
„Der Typ eben …“, sage ich und erzähle ihr von dem unerfreulichen Erlebnis. „Das gibt’s doch nicht!“
„Ab jetzt nur noch Namaste mit zusammengelegten Händen“, sagt sie pragmatisch. „Und Abstand halten.“
Weil die Stadt Kollam recht unansehnlich ist und das Erlebnis noch nachwirkt, reden wir an diesem Tag lange darüber, wie sehr Indien in Hinblick auf Frauenrechte ein echtes Entwicklungsland ist. Vieles hier ist wunderbar, wir haben zauberhafte Menschen getroffen – männlichen und weiblichen Geschlechts -, aber eben auch viel Unrecht und Ungleichheit gesehen. Und heute bin ich wie schon oft froh und dankbar, in einem fortschrittlicheren Teil der Welt zu leben. In Köln.

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