PVC Lakshadweep Sea

Zugfahren erfordert in Indien viel Langmut, das haben wir bereits einmal erlebt.
Noch mehr Geduld braucht man nur, wenn man mit dem Schiff reist.

An dem Tag, als wir zu einer Trauminsel der Lakkadiven aufbrechen, wache ich schon um sechs Uhr auf, weil ich Panik habe, den Dampfer zu verpassen.
„Schnell“, treibe ich Petra an. „Sonst fährt das Schiff ohne uns los.“
„Ist ja gut“, sagt sie. „Bestimmt meinen die neun Uhr indischer Zeit.“

Als wir mit dem Tuk-Tuk zum Anleger kommen, ist es kurz vor halb neun.
Ich gähne verhalten.
Boarding Time soll um neun sein – die Dokumente für die Reise sollen wir in der Lakshadweep Wharf bekommen.

Nach kurzer Suche in der wuseligen Halle finde ich ein verblasstes Schild, das darauf hindeutet, dass sich das Büro für unsere Reiseleitung in der oberen Etage befindet.
Kann das sein?
Dort ist alles leer, bis auf eine Kammer, in der sich gelbe T-Shirts und weiße Basecaps mit Lakshadweep-Logo türmen.
Der kleine Mann hinter dem Schreibtisch nickt – schüttelt also den Kopf auf diese typisch indische Weise, als ich ihn frage, ob ich meine Reisedokumente für Kadmat bei ihm bekomme.
„Passport?“, fragt er.
Ich eile nach unten und lotse Petra aus dem Tuk-Tuk. Sie bezahlt den Fahrer und schickt ihn weg.

Dann schleppen wir uns mit den Rucksäcken in die obere Etage.
„Ob wir wohl jetzt so ein T-Shirt und so eine Kappe bekommen, das volle Touripaket?“, fragt Petra mich, als wir dem Mann die Pässe reichen.
Ich zucke mit den Schultern.
Der Mann drückt jeder von uns einen Ausdruck in die Hand und deutet nach unten.
„Boarding for Lakshadweep Sea, you go”, sagt er bestimmt.
Ohne Ferienpaket gehen wir nach unten.

Petra will noch eine Flasche Wasser an einem Verkaufsstand erwerben, unterdessen kommt ein Mann in grauer Uniform auf mich zu.
„Going Kadmat?“
Ich nicke.
Er will mich am Arm ziehen und deutet auf die beiden Schalter, an denen Uniformierte eine lange Schlange Reisender kontrollieren.
„Sorry, my friend is just buying some water …“
„Kadmat“, sagt er mit mehr Nachdruck. „Go.“
„Friend“, sage ich und deute auf Petra. „Buy. Water.“
Er nickt und zieht Leine.

Wir reihen uns ein.
„Wie früher in der DDR“, raunt Petra mir zu.
Wir sind umgeben von Männern in Uniform, die uns in Richtung eines Schalters drängen, wo ein in Khaki Gewandeter die zusammengehefteten Reiseunterlagen ein weiteres Mal akribisch prüft. Ein Blick in unsere Gesichter, ein weiterer in die Pässe, dann wieder ins Gesicht, dann wieder in den Pass – so genau bin ich das letzte Mal geprüft worden, als ich mit sechzehn in die angesagte Disko am Ort wollte.

Endlich auf dem Steg, gehen wir die paar Meter mit den Rollkoffern zum Schiff.
Es ist ein ziemlich großer Kahn, sieht von außen aus wie das Traumschiff.

Von innen, das merken wir schnell, ist es eher ein Albtraumschiff: Unsere Erste-Klasse-Kabine wirft sofort die Frage auf, wie denn dann die zweite und dritte Klasse ausschauen mögen.
Der Teppich ist verfilzt und voller handtellergroßer Flecken, Dusche und Handwaschbecken sind mehr schwarz als weiß, und es riecht im Zimmer nach Abfluss – warum, wird klar, als Petra den Entlüfter am Fußende ihres Bettes entdeckt.
„Puh“, meint sie, „dann lass uns doch lieber an Deck aufs Auslaufen des Schiffes warten.“
Im Stehen, hätte sie hinzufügen können – denn an Deck gibt es merkwürdigerweise keine Sitzgelegenheiten.

Es dauert sechs Stunden, bis alles an Bord ist – in etwa fünfeinhalb Stunden länger, als wir dachten.
„Wie gerne hätte ich noch ein paar Ausstellungen der Biennale gesehen“, seufzt Petra.

Am Tag zuvor haben wir nicht mehr alle Galerien in Kochi ablaufen können, uns fehlte die Zeit.
Und jetzt langweilen wir uns stundenlang an Bord eines Dampfers, auf dem es nicht mal Wifi gibt?
Ganz zu schweigen von Bänken an Deck?

Als es gegen halb vier Mittagessen gibt, wirft der Dampfer endlich seine Maschinen an.
Immerhin ist das Essen, das sie uns nun servieren, mehr als schmackhaft.
„Ich liiiiebe die indische Küche“, schwärmt Petra und nimmt sich noch was von dem scharfen Eintopf und dem Bohnengemüse mit Kokosraspeln.
Ich schnappe mir noch ein Roti-Brot und etwas Stippe und setze mich zu ihr.
Nach dem Essen würden wir gerne einen Kaffee trinken, aber Kaffee nach dem Essen kennt der Inder nicht. Es braucht alle unsere Überredungskünste, um aus dem Stewart eine Brühe herauszukitzeln, durch die eine Kaffeebohne offenbar durchgeschossen wurde.

Nachdem wir ein paar Stunden übers Wasser geschippert sind, wird es endlich dunkel.
Am nächsten Morgen sollen wir schon gegen elf in Kadmat sein.
Am besten, wir schlafen lange, dann zieht es sich nicht so.

Früh um sechs hämmert wer gegen die Tür.
„Breakfast!“ Dong, dong, dong. „First class! Breakfast!“
„Das ist nicht deren Ernst“, murmelt Petra verschlafen und dreht sich noch mal um.
„Breakfast!“ Dong, dong, dong.
Dong! Dong! Dong!
So lange, bis wir schließlich aufgeben und uns erheben.

Das Frühstück ist ein bisschen wie das Abendessen. Morgens um sieben kann ich warmem Eintopf mit indischen Tortillaverschnitten auch nach vier Wochen noch nichts abgewinnen.
Zu allen anderen Tageszeiten gern, aber morgens um halb sieben?
„Ich hol mir noch einen Nachschlag!“, verkündet Petra und steht auf. „Das schmeckt super!“

Die Schiffspassage dauert lange.
Sehr lange.
Unglaublich lange.
Man könnte auch sagen, sie zieht sich.
Gegen zehn erreichen wir eine Insel, die aussieht wie aus dem Reisekatalog: türkisblaue Lagune, Palmen, Sandstrand, Steg. Dort wird entladen, erst die nächste Insel ist unsre.
Dann erreichen wir Kadmat, ein längliches Eiland mit noch mehr Palmen und einer noch größeren Lagune.
Jedenfalls glauben wir, dass es Kadmat sein könnte.
Es ist schwer, herauszufinden, wie und wo der Abgang vom Boot stattfindet.
Erst müssen wir jemanden finden, der versteht, dass wir das wissen wollen.

Auf der Treppe treffe ich einen Mann, der so aussieht, als ob er auf dem Boot arbeitet.
„Kadmat?“, frage ich.
Er nickt.
„Where get off?“, beschränke ich mich auf die wichtigsten Wörter.
Er macht eine Handbewegung, die „Warten Sie bitte hier“, „Mir doch egal“ oder „Keine Ahnung“ bedeuten könnte.
„First Class?“, fragt er dann.
Ich nicke. „Yes.“
„Wait in cabin.“

„Wir sollen in der Kabine warten?“, fragt Petra, als ich wieder bei ihr bin. „Hoffentlich fährt das Boot dann nicht mit uns weiter.“
„Ich geh noch mal runter, dahin, wo wir eingestiegen sind“, sage ich. „Bleib du am besten hier, falls doch einer kommt.“

Als ich unten bin, stehen dort schon alle anderen mit ihren Taschen. Zwei indische Pärchen, die offenbar auf Honeymoon-Reise sind, ein älterer Mann, den ich auf dem Boot noch nicht gesehen hatte, und ein junger Typ, der vielleicht Saisonarbeiter ist.

Ich rase rauf zu Petra, aber die kommt mir schon entspannt entgegen.
„Der Stewart kümmert sich um die Rucksäcke.“

Es ist laut und voll unten in der dritten Klasse, wo der Ausstieg ist. Ich sehe Stockbetten, auf denen sich müde die Leute räkeln, die es sich nicht leisten können, so wie wir in einer versifften Erste-Klasse-Kabine zu logieren. Ihre Sachen liegen in den Gängen verstreut, Taschen und übervolle Plastiktüten sind übereinander gestapelt. An uns vorbei drängen sich Menschen in Uniform, und ich quetsche mich an die Wand. Hinter mir hat der Stewart die Koffer deponiert.

Endlich ist es soweit, wir werden auf das kleinere Boot hinauskatapultiert, das uns zur Mole bringen soll.
Das Wasser ist glasklar, der Strand ist so hell, dass es fast in den Augen weh tut.
Fische sehe ich von hier aus keine, die Lagune scheint leer zu sein.
Es ist unwirklich.

Am Steg wartet bereits ein Vehikel auf uns, auf dessen Ladefläche Platz für die Koffer ist – und für uns.
Als die beiden Pärchen und wir verladen sind, fahren wir auf einer wenig befestigten Straße zwischen halbfertigen Häusern und Müllsäcken, Palmen und Bauschutt über die Insel bis ans äußerste Ende.
Dort gibt es ein schwimmbadblau gestrichenes Tor, vor dem wir halten und unsere Passierscheine zeigen müssen.
Das Resort öffnet seine Pforte.
„Oh nein“, sagen Petra und ich wie aus einem Mund.

Es hatte sicher einen Grund, warum uns die Frau im von der Regierung autorisierten Reisebüro keine Bilder zeigen konnte.
Wir wären wahrscheinlich nicht hier, wenn sie das getan hätte.
Im Reiseführer steht, dass 28 kleine Hütten an einem malerischen Sandstrand stehen.
Die Wahrheit: Es handelt sich um schnöde Bungalows, die alle in schwimmbadblau gestrichen sind.
An den Funktionsgebäuden steht in weißer Schrift gepinselt: Cafeteria, Dive Center, Gym.
Wir sind eingesperrt in einem Touristenzoo, abgeschottet durch das schwimmbadblaue Tor.
Es ist nicht schön. Es wirkt ein wenig wie ein sozialistischer Freizeitpark.

Als wir an den Strand gehen, liegt überall Plastik.
Flaschen, hellblaue Fischernetze, leere Chipstüten, Bonbonpapierchen.
Ich kann es nicht liegen lassen, ich muss es aufsammeln.
Als wir an der Nordspitze der Insel stehen, habe ich die Hände voller Plastikmüll.
Tränen laufen mir über die Wangen.

Wir wollen weg.
Und sehen das Schiff in der Ferne davondampfen.
Da hilft zum allerersten Mal auch keine Kölsche Lebensweisheit.

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Kunstvolles Kochi

Bei Fremdsprachen geht es darum, verstanden zu werden.
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Kochi ist wie Köln ein magischer Ort.
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Der Reiseführer findet die malerischen Fischerboote am Strand besonders sehenswert. Das war nicht das Erste, was uns auffiel.
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Sofort beginnen wir hochzurechnen, wie viel Kunstkrebse man mit dem Rest vom Müll am Strand noch bauen könnte.
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Für Anne war es eine ausgesprochen stressige Reise. Immer. Zu jeder Zeit.
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Diese Ziege weiß: Zu viele Kokosnüsse und dir fallen die Haare am Arsch aus.
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Noch ein bisschen Reismehl ins Gesicht, ein leidender Ausdruck – und Petras Modelkarriere steht nichts mehr im Weg.
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Die Worte „no photos please“ erreichten Petra in diesem Antiquitätenhandel erst mit Verzögerung.
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Was bei uns als Bikertreffen gilt, ist in Kochi höchstens normaler Stadtverkehr.
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Ein perfektes Plakat für die Ruhezone in der Deutschen Bahn.
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Anne versucht auf alle möglichen Arten von dem Geldpaket um ihre Körpermitte abzulenken.
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Mit dem Blick auf ihr inzwischen khakifarbenes Hemd findet Petra weiß eine gewagte Farbe für eine Schuluniform.
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Büstenhalter und Ave Maria liegen manchmal nah beieinander.
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Braucht es erst eine Biennale, um die Stadt zu verschönern? Petra packt für zu Hause schon mal die Sprühdosen in ihren Rucksack.
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Für Anne eine besonders schöne Darstellung einer einheimischen Taubenart.
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Die Duschen im Hotel Seagull erscheinen uns etwas überdimensioniert.
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In Kochi gibt es derzeit einen regelrechten Run auf die Kunst.
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Wahn und Kunst gehören unbedingt zusammen.
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Kunst ist als solche nicht immer zu erkennen, darf aber nicht berührt werden. Petra, kurz bevor sie von Uniformierten davongeschleppt wird.
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Der Weg in die Kunstgazetten der Welt führt für Kölner am einfachsten über die rote Nase.
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Ist das noch Rampenlicht oder schon Kunst?
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Kleiner Rabe Nimmersatt.
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Der alte Rabe und das Meer
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Abraxas am Abgrund.
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Der Rabe weist aus ornithologischen Gründen darauf hin, dass es sich bei ihm um eine Krähe handelt.
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Kochi, Kunst und Kohle

Kochi, die zweitgrößte Stadt in Kerala, hat mit Köln nicht nur den Anfangsbuchstaben gemein, sondern auch die „Schälsick“ … Also, Halbinseln, genauer gesagt. Hier trennt allerdings nicht ein Fluss die Stadtteile, sondern das Arabische Meer. Kochi vorgelagert sind einige Inseln.

Wir kommen auf dem Festland in einem Stadtteil namens Ernakulam an, fahren mit dem Bus auf großen Straßen an Gewerbegebieten und hässlichen Häuserkomplexen vorbei. In diesem Viertel haben Anne und ich einen Termin in der Reiseagentur, bei der wir nach viel Hin und Her eine Schiffsreise zu den benachbarten Lakkadiven reserviert haben. Jetzt wollen wir buchen.
„Ich freu mich so auf die Fische“, sagt Anne. „Und wenn es mit der Tauchbasis klappt, dann mache ich dort meinen Advanced Open Water Diver!“

Eine enge Außentreppe führt in das Büro, das den Look einer Garage besitzt. Von den niedrigen Decken hängen Leuchtstoffröhren und ein paar staubige Girlanden, die an das noch nicht lange vergangene Weihnachtsfest erinnern. Es fällt mir schwer, mir hier festive Stimmung vorzustellen. Ein Dutzend Mitarbeiter blicken angestrengt auf ihre Monitore und klappern brav in ihre Tasten.

Unsere zuständige Beraterin zählt die Eckdaten zu unserem geplanten einwöchigen Ausflug auf die Insel Kadmat auf: Doppelzimmer, Verpflegung inklusive, Anreise per Schiff, Geld sollten wir vorher abheben, da es auf der Insel keine Möglichkeit gibt …
„Es gibt keinen Geldautomaten auf der Insel?“, unterbricht Anne sie auf Englisch und hat sofort eine steile Problemfalte auf der Stirn. „Wie soll ich denn dann die Tauchbasis bezahlen?“
„Only cash“, betont die Mitarbeiterin. „But no problem, you can get money from the machine here.” Sie zeigt auf die andere Straßenseite.
„No, it‘s not possible!” Ich berichte von unseren gescheiterten Versuchen in den letzten zwei Wochen, Geld abzuheben. Meine Maestro-Karte macht es schon seit Varkala nicht mehr und mit ihrer kann Anne rund 80 Euro ziehen. Mehr bekommt man nur mit der Kreditkarte – und unsere haben in Indien noch bei keinem Automaten funktioniert.
Die Dame bleibt gelassen. „You have a credit card?”
„Yes. But it doesn‘t work …”
„No problem.“ Sie lächelt und bittet mich, ihr meine Karte zu zeigen. Nach einem kurzen Blick schiebt sie das Plastikgeld in ihr portables Bezahlgerät und gibt den Reisepreis für unseren Inseltrip ein. Das Gerät druckt knatternd einen Bon aus. Strahlend wackelt sie mit dem Kopf. „It works!“
Zumindest die Reise nach Kadmat ist gebongt.
Aber woher soll Bares fließen fürs Tauchen und Schnorcheln, dem eigentlichen Grund unseres Ausflugs?

Wir begeben uns auf die andere Straßenseite und versuchen es mit unseren Geldkarten der Reihe nach an jedem der vielen Automaten und in den Bankfilialen, die es in dieser nicht enden wollenden Geschäftsstraße gibt. Vergeblich. Selbst die Kreditkarte, mit der ich eben noch im Reisebüro gebucht habe, versagt konsequent ihren Dienst. Auch Anne kann nicht eine Rupie abheben.
„Wat soll dä Kwatsch?“, sage ich.
„Wat wells de maache?“, antwortet Anne. „Shit – trotz aller Gelassenheit im Kölschen Grundgesetz finde ich es wirklich doof, dass ich auf eine Trauminsel fahre und dort kein Geld zum Tauchen habe.“
Ich verziehe das Gesicht beim Anblick in mein Portemonnaie.
„Haha. Da laachs de disch kapott!“, sage ich und kann die Bitterkeit in meiner Stimme nicht verbergen. „Unsere Grundgesetze helfen jetzt auch nicht weiter. Wir brauchen Kohle!“
„Die treffen doch gerade sehr zu.“ Anne grinst. „Et es wie et es.“
„Ich hab Durst“, maule ich. “Ein Kaffee oder Tee wäre zur Abwechslung nicht schlecht. Drinks de ejne met?“
Wir bestellen am nächsten Büdchen heißen Chai.

Über eine lange Brücke lassen wir uns dann mit dem Tuk-Tuk auf die Halbinsel Fort Cochin bringen. Kleine Gassen, Häuser mit kolonialem Flair, Restaurants, sogar Cafés gibt es hier. Schnell hellt sich unsere Stimmung auf, wir suchen ein Zimmer und spazieren durch diesen zauberhaft schönen Ort zur Kaimauer mit den chinesischen Fischernetzen am Strand.
Es sind relativ viele Touristen unterwegs, denn zurzeit findet die Internationale Kunst-Biennale statt. Da müssen wir hin! Das Ticket kostet nur 150 Rupien. Keine Frage, da simmer dabei – und vergessen im Kunstrausch unsere Geldprobleme für einige Zeit.

Am Morgen holen sie uns wieder ein, denn schon am nächsten Tag soll die Reise losgehen, und so marschieren wir gleich nach dem Aufstehen zum nächsten Geldautomaten.
In der kleinen Kabine der Baroda-Bank schiebe ich meine Maestro-Karte in den Automaten. Sie funktioniert natürlich … nicht. Ich versuche es mit meiner Kreditkarte.
Ratter, ratter …
Schon erwarte ich, dass der Vorgang abgebrochen wird, aber … der Automat fragt mich plötzlich, wie viel Geld ich abheben will!
Meine Hände zittern vor Aufregung. Ich gebe die maximale Summe von umgerechnet zirka 80 Euro ein, die man mit der EC-Karte abheben kann. Es rattert und wenige Sekunden später, wir trauen unseren Augen kaum, spuckt das Gerät tatsächlich Geldscheine aus.
Wir jubeln. „Yeah, it works!“
Jetzt ist Anne an der Reihe. „Endlich – jetzt kann ich Tauchen gehen!“
Dann probieren wir es erneut, denn für so eine Inselwoche braucht man sicher etwas mehr Geld. Der Baroda-Bank-Automat gibt brav die Scheine aus.
Nun wieder Anne.
Dann ich.
Anne.
Ich.
Anne.
Ich.
Wir sind im Taumel. Im Geldrausch. Kriegen einen Lachanfall. Packen unsere Bauchtaschen und Geldbörsen voll mit dem schnöden Mammon.
„Nie wieder, nie wieder Geld-Automaten-Frust!“, rufe ich und wische mir die Lachtränen aus den Augen.
Anne holt die Clownsnase raus. „Tauchen kostet mehr als Schnorcheln“, sagt sie, zuckt mit den Schultern und macht weiter.

Danach gönnen wir uns am frühen Vormittag in einem Restaurant ein Bier – so was gibt es sonst auch nicht in Indien.
Ich muss immer noch lachen. „Wie kann es sein, dass es genau einen Tag vor dem Inseltrip klappt? Wir hatten doch die Hoffnung schon aufgegeben!“
Anne wischt sich den Bierschaum von den Lippen. „Et bliev nix wie et wor, will uns Indien sagen.“
Stimmt. Artikel 5 hatten wir ganz vergessen.
Ich will noch ein Bier bestellen.
Anne winkt ab. „Nee, lass mal: Maach et got, ävver nit zo off.“

Nun haben wir fast alle Kölschen Grundgesetze durch.
Kochi und Köln haben offenbar wirklich viel gemeinsam.

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Maggelei of the Tiger

„I want to help you, my friend“, sagt der Mann, der sich am Busbahnhof in Kumily an unsere Fersen geheftet hat. Er drängt uns in eine Ecke, greift schon nach Petras Rucksack. „My name is Zamir“, sagt er. „I want to help you.“ Er ist ein wenig kleiner als ich und hat eine drahtige Figur, seine kurzen dunklen Haare sind teilweise von einer Kappe bedeckt.

Es ist dunkel. Es ist spät. Wir haben gerade die Busfahrt aus der Hölle hinter uns, an Steilhängen vorbei und mit riskanten Überholmanövern in der Kurve. Morgen soll alles besser werden. Morgen wollen wir in den Nationalpark. Dort gibt es eine gute Chance, wilde Elefanten zu sehen.
„No“, sagt Petra, schüttelt den Kopf und zieht ihren Rucksack an sich, sieht an ihm vorbei. „We already have a hotel.“
Was ein bisschen geflunkert ist, denn wir haben uns zwar etwas herausgesucht, aber nicht reserviert. Der Name will mir partout nicht einfallen. Ich krame meinen Reiseführer heraus und blättere hektisch durch die Seiten.
„Where is it?“, will der Mann wissen.
Ich blättere weiter und atme dann auf. There is it nämlich. „Green View.“
„I take you there“, sagt Zamir. „It is my stay.“
Das ist ja ein Ding.
Was für ein Zufall!
„And is there still a room for us?“, will ich wissen.
Zamir nickt. „Come, come.“

Er führt uns zu einem Tuk-Tuk, in dem bereits ein Mann sitzt. „Please take a seat.
„We don’t go with two men“, sagt Petra entschieden und bleibt wie angewurzelt stehen.
Zamir spricht ein paar Worte mit dem anderen Fahrer, der darauf hin zur Seite rückt.
„You don’t trust me?“, fragt er, als er sich auf den Sitz schwingt. „You can trust me.“
Klar, denke ich. Warum sind wir auch immer so misstrauisch?

Auf der Fahrt erzählt uns Zamir von seiner Religion, wie wichtig es für ihn sei, vor höheren Mächten gut dazustehen. Dass das sein Leben verändere. Und dass es auch für das Leben nach dem Tod total wichtig sei.
Ich frage interessiert nach, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Glaube mein Leben verändern könnte. Würde ich mich dann auch anders verhalten – und wenn ja, wie? Erst zweifle ich, aber es hört sich plausibel an. Zamir hat offenbar hohe Ansprüche an sich und andere. Erstens sind wir bei ihm gut aufgehoben. Und zweitens kann sein Glaube vielleicht auch für mich irgendwann mal was verändern, wenn ich jetzt gut aufpasse.

Zamir hält vor einem hübschen Häuschen, in dessen Vorgarten einige Touris sitzen und Tee trinken.
„Let me see“, sagt er und ist schneller aus dem Tuk-Tuk, als wir gucken können.

Er geht mit forschem Schritt ins Haus, ein Wortwechsel, dann ist er wieder da. „My friend don’t have room“, meint er. „But he say next house, very nice, they have room.“
Na, wenn der Besitzer das empfiehlt, dann wird wohl alles mit rechten Dingen zugehen. Und Zamir ist ein ehrenwerter Mann.

Er fährt uns mit dem Tuk-Tuk ein wenig die Straße hinunter und hält vor einem anderen Haus. Nun, das Haus ist nicht so schön, und vor der Tür sitzt keiner, aber die Frau, die uns die Tür öffnet, ist freundlich. Und wir sind müde.
So müde, dass wir beinahe willenlos zuhören, was für Touren uns der ehrenwerte Zamir anbietet. Angeblich hätten wir zwei Tage im Vorhinein buchen müssen. Jetzt ist alles voll. Das, was wir wollen, die Borderhiking-Tour, können wir nun nicht mehr buchen, erklärt er uns, aber die Jeep-Safari wäre ohnehin viel besser für uns.
„But we don’t like to go by car“, sagt Petra. „We like to walk and borderhike.“
Ich nicke bekräftigend.
„Okay“, sagt Zamir, blättert durch die Kataloge. „But that is full.“ Er verzieht den Mund. „Jeep Safari is nice. Many animals. Go a longer way. And if you book tomorrow, maybe no place.“
Es ist spät. Wir sind müde. Wir nicken. Okay, bevor wir gar nicht in den Nationalpark kommen, nehmen wir doch lieber den Jeep.
Wir zahlen etwas an. Merkwürdigerweise hätte Zamir das gerne in Euro, warum nur?
Dann gehen wir aufs Zimmer. Im Bad wartet eine Kakerlake. Es ist kalt. Wir verkriechen uns unters Moskitonetz und schlafen sofort ein.

Am nächsten Morgen ist es immer noch kalt. Ich habe ein ungutes Gefühl, dass wir viel zu viel Geld angezahlt haben.
„Komm“, sagt Petra, weil unsere Wirtin kein Frühstück anbietet. „Wir gehen zum Green View. Vielleicht bekommen wir da etwas zu essen.“ Im Guide stand, dass der Gastgeber leckeres Frühstück im Angebot hat.

Suresh, der Besitzer des Green View, ist ein kleiner, rundlicher Mann mit einem Lächeln, das das gesamte Gesicht erleuchtet. „Good morning! What can I do for you?“
Wir bekommen Frühstück und erfahren so nebenbei, dass er doch noch Zimmer frei hat.
Komisch, aber Zamir hatte doch gestern nachgefragt?
Suresh bewegt den Kopf leicht und sieht uns ernst an.
„Well, yes, I know him“, sagt er nur über Zamir.
Wir erzählen von unserem gestrigen Abend, der raschen Buchung, und versuchen, in ihn zu dringen, aber er lässt sich zu keinem bösen Wort hinreißen.
„Look“, sagt Suresh nur, „the borderhiking tour is much nicer. The Jeep Safari is not even in the National Park. They take you to the border of Tamil Nadu, it’s a long ride, and you don’t see anything.“
Suresh ruft für uns im Nationalpark an. Dann reicht er uns eine offizielle Broschüre.
„The borderhiking is still free. Tell Zamir you went to the official place and they told you and ask him to please change. Don’t tell them I told you. Tell him to help you. It will all turn out good.“
Das versprechen wir. Na, hoffentlich geht das wirklich alles gut aus.

Nach dem Frühstück sehen wir uns sein Hostel an.
Das Green View hat einen wunderbar gestalteten Garten mit einem hohen Baum, in dem ein paar Affen herumturnen. Die Zimmer sind hell und freundlich, es gibt eine Terrasse, auf der eine junge Frau in der Hängematte liegt uns liest. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Und sofort sind wir uns einig: Wir ziehen um.

Was unsere Wirtin gar nicht gut findet, als wir es ihr verklickern.
Jeder Versuch, ihr zu erklären, dass wir ohnehin vorher ins Green View wollten, ist vergebens.
„Zamir lied to us“, sage ich. „It is not your fault. But we wanted to go to Green View before.“
„You go“, sagt sie schließlich und macht eine wegwerfende Handbewegung.
Wir greifen uns unsere Sachen, sagen der Kakerlake adieu und beziehen im Green View ein helles, schönes, warmes Zimmer mit Balkon.

Dann machen wir uns auf die Suche nach Zamir. Der Tuk-Tuk-Fahrer, der vor unserem Haus wartet, ist zufällig der Junge, den er gestern aus dem Taxi gekickt hat. Wir bitten ihn, uns zu Zamir zu bringen.
Auf dem Weg überlege ich fieberhaft, was ich zu ihm sagen kann. Mein Herz klopft.
Erst, als ich ihn am Straßenrand sehe, weiß ich es.
Ich atme tief ein. It will all turn out good, sagt Suresh in meinem Kopf, und ich glaube daran.
„Zamir, my friend!“, rufe ich lauter als normal. „Sooooo good to see you!“ Ich setze noch ein breiteres Lächeln auf.
Zamir reicht mir die Hand und lächelt ebenfalls.
„Look“, sage ich. „I have a big problem.“
I tell it like it is, baby. Da musst du jetzt durch, wenn ich dir mit der naiven Tour komme.
„What is it you want?“, fragt er.
Ich erkläre ihm, welche Tour wir buchen wollten, welche wir immer noch buchen wollen und dass er uns helfen muss, die zu bekommen, weil der Nationalpark sagt, es gebe doch noch Plätze.
Er guckt sparsam und will gerade ansetzen, als ich erneut Suresh in meinem Kopf höre: Tell him to help you.
„I know you want to help us“, sage ich. „You are an honorable man. I was very impressed by what you said about your religion. That you have such high standards and that you want to do the right thing always. And I trust you.“
Zamir sieht mich lange an. Man kann ihm geradezu beim Denken zusehen.
„But I have booked the trip already“, sagt er schließlich. „They keep ten percent of the price.“
Ich rechne nach, das sind ungefähr zwanzig Euro. Er zählt mir den Rest in die Hand.
„Okay, no problem.“ Ich staune – er hat sich tatsächlich darauf eingelassen.
Schließlich verabschieden wir uns. Ich bin erleichtert. Petra klopft mir im Tuk-Tuk auf die Schulter.
„Das hast du super gemacht“, meint sie. „Ich freue mich schon aufs Borderhiking morgen.“

Während wir noch im Tuk-Tuk sitzen, klingelt das Handy des Fahrers. Er geht dran, wechselt ein paar Worte und reicht es mir dann.
Es ist Zamir.
„What is your last name?“, will er wissen. „I need it for the booking.“
Ich sage es ihm. Als ich auflege, fällt der Groschen. Wenn er jetzt zum Buchen meinen Namen braucht, heißt es, dass er den Trip zuvor noch gar nicht gebucht haben kann. Ergo: Er hat die zehn Prozent einfach so eingestrichen.
Ich bitte den Fahrer, Zamir erneut anzurufen.
„Sorry“, sage ich. „I am a little stupid sometimes. You need my name for the booking?“
„Yes.“
„But why“, frage ich und muss lächeln. „Why did you not need it before? I mean, I believe you and your religion forbids you to cheat. But if did you not book the trip beforehand – why do we have to pay you ten percent?“
„That was not for me …“ Seine Stimme wird undeutlich. „It was for the tourist office. But let me see …“
„My friend, that is so nice of you. You are very helpful.“ Ich lasse ein Strahlen in meiner Stimme aufscheinen. „Will we see you tomorrow and you give me the money?“
Er macht ein unwirsches Geräusch. „Okay“, sagt er dann. „I will come by your hotel in the morning.“

Und das macht er dann auch, während wir auf den Spuren des Tigers durch den Periyar Nationalpark borderhiken und dort unversehens auf ein paar Elefanten stoßen, die einen Baum entblättern.

Als Suresh uns abends die Scheine in die Hand drückt, die Zamir dagelassen hat, sagt er: „It all turns out good.“
Und hat damit den ersten Artikel formvollendet wieder gegeben: „Et hät noch evver jot jejange.“
Wer braucht schon Religion, wenn er das Kölsche Grundgesetz hat?

PS: Namen und Orte wurden geringfügig geändert, um niemanden zu verletzen – nur das Green View nicht, ein bezaubernder Ort mit ausgesprochen netten Gastgebern!

Beitragsbild_Suresh

Komm nach Kumily!

Als die letzten kühlen Drinks aus diesem Fenster an der Bushaltestelle gereicht wurden,
war diese junge Frau noch nicht geboren.
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Schulkinder sind gehalten, bei nahenden Bussen die Beine in die Hand zu nehmen.
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Schön, dachte sich Petra, kurz vor dem Tod noch einmal der Kraft der Natur ins pralle Auge zu sehen.
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Die Teeplantagen bewegen sich so schnell, dass man sie kaum aufs Bild gebannt kriegt.
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Petra denkt spontan darüber nach, eine Ananasdiät zu beginnen.
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Eine schöne Frau entstellt nichts.
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Im Dschungel wird Anne oft für eine Holländerin gehalten.
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Welches Tier siehst du?
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Der Vergleich mit Petras Schuh zeigt: Dieser Elefant müsste mindestens Schuhgröße 57 haben.
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Petra mit Blutegelbeinschützern auf der Sperre, die das Dorf vor Rüsselträgern schützt.
Noch Fragen?
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Kaffee gefällig? Draußen nur Böhnchen.
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Wir wissen nicht, wie es euch geht, aber wir haben bei diesem Anblick schmutzige Gedanken.
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12 Uhr mittags. Petra nimmt die Fährte des Tigers auf.
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4000 Kalorien später.
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Das Leben kann so schön sein.
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Hätte Anne geahnt, dass die Spinne nach dem Mittagsschläfchen besonders angriffslustig ist, wäre sie für dieses Foto nicht bis auf zehn Zentimeter herangerückt.
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Die Kuh, auf der wir hergeritten sind, hat es nicht mehr lange gemacht.
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Hätte Anne geahnt, dass die Schlange nach dem Nickerchen besonders angriffslustig ist, wäre sie für dieses Foto nicht bis auf zehn Zentimeter herangerückt.
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Das Leben kann so schön sein, Teil 2.
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Wer hat den längsten?
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Besuch.
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Waschtag.
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Eine der begehrtesten Wohnlagen in Kumily ist rund um den Busbahnhof.
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Die drei von der Haltestelle.
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Man sieht es nicht, aber der Papierkorb steht direkt neben der Fotografin.
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Kumily für Dekoqueens: So machen Sie Ihre Sonnenterrasse frühjahrsfrisch.
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Ab sofort lässt Anne wirklich alles auf der Straße machen.
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Wer Kokosnuss auf indische Weise reibt, hat das Gefühl, auf einem fliegenden Teppich zu sitzen.
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Durch Showkochen ist Anne leicht zu beeindrucken.
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Diese zwei Frauen leiden gern unter Magenerweiterung: Zwei Mal die Bauarbeiter-Portion, bitte.
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Anne isst nicht nur gerne.
Indien PN 504

Fahr oder stirb

„Kann es sein, dass unser Busfahrer ein Raser ist?“, ruft Anne, während sie in der Kurve an die Fensterseite geschleudert wird.
Mich drückt die Fliehkraft an ihre linke Schulter. „Ja, für die 110 Rupien kriegen wir auf dieser Rennpiste wirklich einiges geboten!“
Von Kottayam nach Kumily sollte es gehen, aber ob wir dort in einem Stück ankommen, bezweifle ich. „Diese Schütteltour müssen wir noch über vier Stunden aushalten!“

In der nächsten Kurve rutsche ich fast von meinem Platz.
Anne runzelt die Stirn. „Das ist doch noch gar nix. Vor der Fahrt durchs Gebirge habe ich Angst.“
Sie setzt sich auf und deutet mit dem Kopf auf den akkurat in Khaki-Uniform gekleideten Fahrer, direkt vor uns. Sicher und fest thront er auf seinem Sitz und düst schnittig durch die Kurven von Kottayam.
„Der scheint es drauf angelegt zu haben, hier ein Rennen zu gewinnen.“
Wahrscheinlich hat Anne recht, denn unterstützt durch ständiges Hupen überholt er selbstbewusst jeden anderen Verkehrsteilnehmer vor uns und lässt dabei das Lenkrad geschmeidig durch die Finger gleiten. Ab und an hüpft sein Oberlippenbart nach oben, denn er schwatzt und lacht mit den Fahrgästen neben ihm.

„Jetzt weiß ich, das ist Racing Joe!“, ruft Anne nach einem besonders waghalsigen Überholmanöver. „Der verdient damit sein Geld.“
Ich muss lachen. Der Name gefällt mir.
Meine Freundin krallt sich mit der rechten Hand an den türkisfarbenen Gittern der offenen Fenster fest, um nicht mit dem Kopf dagegen zu schlagen. Dabei reißt sie sich an einem offen stehenden Nagel den Handrücken auf. Es blutet.
Ich hole sofort ein Pflaster aus meinem Rucksack und verarzte die Wunde.
„Mann“, stöhnt sie, „eine kaputte Hand kann ich ebenso wenig gebrauchen wie eine Gehirnerschütterung.“
Na klar. Je lädierter wir in den West-Ghats ankommen, umso unwahrscheinlicher wird die geplante Trecking Tour durch den Periyar Nationalpark.
Rums!
Anne knallt wieder mit der rechten Schulter gegen das Fenstergitter und ohne dass ich es verhindern kann, drücke ich sie noch ein bisschen stärker dagegen.
„Autsch!“

Eine halbe Stunde später sind wir in den gefürchteten Bergen.
Racing Joe legt sich in die Serpentinen wie ein Rennfahrer auf der Piste. Unerschrocken schneidet er die Kurven und zieht auf der schmalen Fahrspur sogar an LKWs und Bussen vorbei.
Verkehrsschilder mit Totenköpfen drauf warnen vor unachtsamem Fahren. Der weiße Mittelstreifen bedeutet auch in Indien Überholverbot.
„Go slow!“ oder „Dangerous zone“ steht auf den Achtungsschildern. Die Geschwindigkeitsgrenze sind 30 Stundenkilometer. Das alles scheint unseren Busfahrer nicht zu interessieren.
Vor uns kommt ein Laster zum Stehen.
Racing Joe macht eine Vollbremsung.
„Ahhh!“, schreie ich.
Racing Joe blickt sich zu mir um, wackelt mit dem Kopf und gibt wieder Gas.
Anne lacht bei diesem Anblick schrill. Ihr Blick hat etwas Irres.
Mir ist übel vor Angst.
„Et kütt, wie et kütt“, verkündet meine Freundin und lacht wieder ganz komisch.
„Also Tod oder Leben?!“, antworte ich erschreckt.
Racing Joe hupt erneut und zieht mit Vollgas in die nächste Kurve.

Annes Lachen verebbt. Sie verzieht das Gesicht und kramt ein Schächtelchen mit Ohrenstöpseln aus ihrer Tasche.
„Ich kann dieses Gehupe nicht mehr ertragen“, sagt sie und bietet mir auch ein paar an.
„Was hatte ich für ein schönes Leben!“, antworte ich. „Danke allen, die mich geliebt haben! Aber meine letzten Lebensminuten will ich mit allen Sinnen erleben.“
Und so lehne ich Annes Angebot dankend ab.
„Ich sehe schon die Headline in den deutschen Medien vor mir“, rufe ich in ihre Richtung: „Indischer Bus in den West-Ghats verunglückt. Auch Deutsche unter den Opfern …“
„Ich hör nix!“, schreit Anne.
„Willst du auch noch meine Schlafbrille?“ brülle ich ihr ins Ohr.
Aber das Hupen übertönt alles, und Anne schließt die Augen auch so.

Na, super. In existenziellen Augenblicken seines Lebens ist der Mensch immer allein.
Ich blicke unserem Fahrer über die Schulter und habe durch die Frontscheibe beste Aussichten auf das schwarze Auto, das sich laut hupend an uns vorbeidrängt. Das kann Racing Joe nicht zulassen und veranstaltet ein Wettrennen. Ein Bus kommt uns entgegen.
Voller Entsetzen starre ich auf die Szene.
Wir rauschen um Haaresbreite an ihm vorbei.
Ich sehe mich um, die Insassen lächeln entspannt. Einige winken.

Racing Joe schwatzt gerade mit einem kleinen Dicken in gestreiftem Hemd und dunkler Hose und einem langen Dünnen, der lässig auf dem Motorkasten neben ihm herum lümmelt. Beide tragen den in Kerala obligatorischen Schnäuzer.
Der Dünne hat das landestypische, karierte Tuch um seine Beine zum Mini geschlungen und trägt dazu ein leuchtend gelbes Hemd, an dem die Bügelfalten noch etwas abstehen. Er lässt einen Spruch nach dem anderen ab. Racing Joe ergänzt. Dann der Dicke. Der Lacher sitzt.

Vielleicht ein Comedytrio, das seinen Auftritt probt?
Vielleicht sind wir im Film?
Dann wäre alles nur eine Show? Anne und ich wären Bollywood-Komparsen und die ganze Fahrt hier hätte Netz und doppelten Boden? Verstünden wir Hindu, könnten wir über die Witze vielleicht auch lachen.

Nein. Ich möchte, dass Racing Joe seine Aufmerksamkeit nach vorn richtet und es mit dem Berg etwas ruhiger angeht.
Macht er aber nicht. Er redet und lacht und hupt und überholt.
„Do laachs de disch kapott!“, sagt das 11.Kölsche Grundgesetz und meint, dass mit Humor alles leichter geht. Was denn leichter? Unser Sturz in die Schluchten dieser wunderbar grün üppigen Dschungellandschaft?
Ich blicke mich um. Viele Fahrgäste schlafen bereits.
Anne summt ein Lied.

Vor uns baumelt Gott Shiva von der Busdecke. Jemand hat ihn mit einer Blumenkette geschmückt. Ob die Götter uns helfen und diese Fahrt gut ausgehen lassen?
Wums!
Ich lande auf Annes Schoß.
Sie nimmt einen Stöpsel aus ihrem Ohr. „Ich will aussteigen“, sagt sie entschieden. „Wir müssen irgendwie anders weiterkommen.“

Klar, man kann ja sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Sei offen für Neues, Petra! „Et blievt nix, wie et wor“, rät doch das fünfte Kölsche Grundgesetz.
Nimm deinen Rucksack und steig aus!
Doch ehe wir in der Lage sind, uns an der nächsten Haltestelle zu erheben, sitzt plötzlich eine rundliche Inderin neben uns.
So eingequetscht können Anne und ich nicht nach links und nicht nach rechts fallen.
Die Frau lächelt uns freundlich zu und packt ihren Reiseproviant aus: Kekse, Nüsse, Honig-Erdnuss-Stangen, Mandarinen, Papadams… alles wird schwesterlich mit uns geteilt. Ich bedanke mich jedes Mal überschwänglich und futtere all diese Köstlichkeiten in mich hinein.
Anne kriegt nichts runter vor Angst.

Schade, dass unsere Nachbarin an der nächsten Haltestelle aussteigt. Ich bin vom Essen paralysiert und unfähig, mich ebenfalls zu erheben, Anne hält die Augen wieder geschlossen. Lange winkt uns die Frau nach.
Sofort werden unsere Plätze wieder zu Schleudersitzen.

In irgendeinem Bergnest hält der Bus wieder.
„Wir wollten doch raus!“, schreie ich.
Anne reißt die Augen auf und nickt.
Abrupt stehen wir auf, schnappen unsere Rucksäcke und verlassen den Bus.
Racing Joe guckt verwirrt. „No Kumily“, ruft er. „No Kumily!“

Und nun?
Anne geht an einem Straßenbüdchen Kuchen kaufen. Ich hole Tee.
Wir sind immer noch gut zwei Fahrtstunden von unserem Ziel entfernt. Ein großer VIP-Bus hält neben uns.
„Komm, den nehmen wir!“, rufe ich Anne zu und sie rafft ihre Sachen zusammen.

Nicht jeder Busfahrer ist schließlich Racing Joe. Denken wir.
Stimmt auch. Dieser will Flying Joe sein.
Vor seinem Abflug hat er Musik aufgelegt. Indische Hits. Die haben wir schon öfter gehört. Die Sängerin trällert mit Mickymausstimme zu leiernden Gitarrentönen.
Ich bin im Wahn und singe mit, bis Anne mich bittet, aufzuhören – sie erträgt die Doppelbelastung nicht länger.
So düsen wir durch das Gebirge: Links neben uns die Felsen, rechts die Schluchten. Dazwischen Überholmanöver. Wir mittendrin. Und um uns eine traumhaft schöne Landschaft.
Zu schummeriger Stunde erreichen wir das Städtchen Kumily.
Wir steigen aus und sind sehr blass um die Nasen. Und wissen nun, dass ein Kölsches Gesetz tatsächlich stimmt:

Et hätt noch immer jot jejange!

Busfoto 1023v2

Backwaters: Backbord und Steuerbord

Kollam ist sehr hässlich. Die Landschaft drumrum geht so.
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Einigen gehen die Backwaters wirklich am Arsch vorbei.
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Malerische Ansichten sind schön, machen aber dem Modell viel Arbeit.
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Boah, ist das übertrieben. Jetzt muss es sich auch noch spiegeln.
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Endlich: eine hässliche Brücke.
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Über rosa Brücken musst du gehen. Jedenfalls, wenn du zum Ashram willst.
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Bridge über untroubled water.
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Anne wurde eingesperrt. Aber Schwamm drüber.
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Entgegen anderslautenden Gerüchten hat Petra zwei Tage im Ashram verbracht. Nicht in der Ausnüchterungszelle der örtlichen Polizei.
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Am ashrameigenen Strandabschnitt kommt die frische Brise vom Meer, nicht vom Müll.
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Bei so viel Spiritualität fühlt sich Petra ganz klein.
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Der Clown weiß: Wir sind alle nur Sandkörner am Strand des Lebens.
Und aus einigen von uns werden Lingams.
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Petra bedauert es ausgesprochen, den Ashram verlassen zu müssen.
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Warteschlange am chinesischen Fischernetz für alle, die das Seafood-Menü gewählt haben.
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Das müssen Petras Fans sein. Denn Annes sind grau und heißen Tauben.
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Für Hindus wird das Mittagessen gleich mit der Tageszeitung ausgeliefert: äußerlich und räumlich nah beieinander – geschmacklich liegen Welten dazwischen.
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Als Seemann ist man auf den Backwaters Mädchen für alles: Auch für Seerosen, die sich in der Schiffsschraube verheddern.
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Nix als Landschaft. Auch bei Sonnenuntergang sosolala.
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Auf einem Jahrmarkt in Alleppey treffen wir Petras Lieblingsdiscostars aus den Siebzigern.
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Noch Fragen?
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Kokosnusskäfer werden bis zu zwei Meter groß. Leider können wir das nicht beweisen.
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Die Backwaters versprühen an manchen Tagen den stillen Charme einer sechsspurigen Autobahn.
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Willkommen bei unserem Bootsmann daheim. Mutti hat gekocht.
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Die Reiskantine ist gleich nebenan.
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Anne hat die Nase heute passend zum Hut ihrer Mitreisenden gewählt.
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Suchbild mit Reihern.
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Heinz, isch sage dir: Dat Wasser wird auch nit frischer.
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Samosa-Drive-In.
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Landschaft, Landschaft, Landschaft. Wann sind wir endlich wieder in Kölle?
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Plötzlich fällt Petra auf: Das Boot könnte mal wieder gestrichen werden.
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Noch glaubt Petra, dass Anne sie nicht belogen hat, als sie sagte: Es gibt nur ein Paddel.
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Och nee, ne?
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Bei diesem Anblick denkt Anne spontan an ihre Waschmaschine.
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Arbeit und Muse liegen dicht beieinander.
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Erna, halt die Kinder zusammen. Dat Floß kütt.
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Man glaubt es kaum, aber dies ist ein Kanal.
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Frohe Weihnachten.
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Dies ist der Beginn einer gierigen Zeit.
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Die Kleinfamilie und die große, dicke Frau.
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Noch mal: Schönes Fest!
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Von hinten wie von vorne A.M.M.A.

Wir sind auf den Backwaters Keralas unterwegs in den Ashram der Amma, einem der wenigen weiblichen Gurus Indiens.
Ich habe noch nie einen getroffen, weder einen männlichen noch einen weiblichen. Und bei all der Spiritualität muss hier doch ein Funke des Kölschen Grundgesetzes zu entdecken sein.
Und dann ist da noch ein Gedanke: „Ob man auch in meinem Alter noch Guru werden kann?“, überlege ich.
„But why?“, fragt Petra und fächelt sich mit ihrem Reiseführer Luft zu. Eine Frage, die in Indien so ziemlich auf alles passt.

„Die haben ein angenehmes Leben, die Arbeit hält sich in Grenzen und sie haben immer Gesellschaft“, sage ich. „Außerdem können sie ihren Anhängern vorschreiben, was die tun sollen. Ich würde direkt mal ansagen, dass tierische Produkte out sind, Kokosraspeln und Polentaklößchen auf der schwarzen Liste stehen und dass bei meinen Zeremonien Depeche Mode gespielt wird. Noch Fragen?“
Petra grinst und schüttelt den Kopf.
„Guru kann man doch nicht werden“, sagt sie. „Guru ist man. Das war die Amma schon, als sie noch ganz klein war.“
Muss sie meine Hoffnung auf eine berufliche Fortentwicklung so rasch zerstören?

Gegen zwölf legen wir zu einem einfachen, aber köstlichen Mittagessen an. Neben gekochtem Reis duftet es aus den Töpfen nach Sambar, es gibt ein Curry mit grünem Gemüse, das ich als irgendetwas zwischen einer Bohne und einer Okraschote identifiziere, dazu scharfe rote Sauce mit eingelegten Limetten und Papadams.
Hoffentlich gibt’s im Ashram ordentliches Essen, denke ich. Das hält immerhin auch im Rheinland Leib und Seele zusammen. Wäre ich der Guru, würde ich so etwas wie das hier verordnen. Aber ich vergaß – das wollte ich mir ja abschminken.

Nach dem Futtern geht es noch eine Stunde weiter zwischen Palmen und einfachen Hütten über die ruhigen Fluten, bis linkerhand die rosa Hochhäuser des Ashrams auftauchen.
Wenig später gehen wir über die prächtige Brücke, die auf die Halbinsel führt, auf der die Mission liegt.

Nach dem Bezug des spartanisch eingerichteten, aber sauberen Zimmers im fünften Stock eines der rosa Ashramtürme, führt uns ein weiß gewandeter Holländer, der schon seit zehn Jahren hier lebt, über das Gelände. Die Amma hat zahlreiche soziale Projekte angestoßen und scheint in so ziemlich jeder Notlage zu helfen, sei es bei Erdbeben, Überschwemmung oder Bildungskatastrophe.
Check, denke ich: Wenn ich erst Guru bin, dann mache ich das auch. Ich muss nur rausfinden, was das Rezept der Amma ist. Dann kann ich es kopieren.

„Ihr hätt Glück, die Amma ist da“, erklärt uns eine Deutsche. „Bald macht sie ihre Tour dursch dä Süde, da hätt ihr kei Darshan bekomme.“
Darshan?
„Der Darshan ist eine Umarmung, jeder will des habe – des is das Special von de Amma“, sagt die Frau und lacht. „Des könnt ihr euch heut Abend glei gebe lasse, nach der Meditation am Strand.“
Am Strand?! Vielleicht geht da doch noch was für Quereinsteiger. Ich muss nur gut aufpassen und mir ein eigenes Special ausdenken. Wat däm ein sing Ül eß däm andere sing Naachtijall. Wär doch gelacht – der mache ich Konkurrenz!
„Ich könnt was essen“, sagt Petra.
Doch die Führung über das Gelände dauert so lange, dass wir sonst die Abendmeditation verpassen. Mit knurrenden Mägen eilen wir an den Strand.

Hunderte anderer Menschen sitzen schon auf Plastikstühlchen um ein Podest am Strand herum. Über uns in den Kokospalmen krächzen die Raben.
Kurz nachdem wir Platz genommen haben, geht ein Raunen durch die Menge. Die Leute erheben sich, ein Trupp Personenschützer rückt an, in der Mitte eine kleine rundliche Frau im Sari.
Also das mit den Wächtern finde ich doof. Wenn ich erst Guru bin, wird das abgeschafft.

Als die Amma auf dem Podest Platz genommen hat, beruhigt sich die Menge langsam, dann beginnt die Meditation.
Neben mir höre ich nach einer Weile ein Rascheln und Kichern. Ich pliense unter den geschlossenen Lidern hervor. Der weiß gekleidete Typ vor mir dreht sich um und grinst breit. Ich schaue zu Petra, die sich neben mir irritiert über den Kopf streicht und dann ihre Hand ansieht.
„Also, ich habe meinen Segen schon“, flüstert sie mir zu. „Mich hat gerade ein Rabe angekackt.“
Ehrlich gesagt: Ich finde, das ist viel lustiger als die Meditation.

Am Ende der Meditation stellt jemand Amma eine Frage und sie antwortet sehr ausführlich. Petras Magen rumort. Jemand übersetzt ausufernd, und bei mir macht sich die Langeweile breit. Alle lächeln beseelt. Mein Magen rumort.
„Wer nur heute hier ist, bekommt jetzt einen Darshan!“, ruft der Ansager schließlich. „Morgen gibt es noch mal Darshan nach dem abendlichen Mantrasingen. Mittags teilt Amma Prasad aus – gesegnetes Essen.“
Morgen?! Ehrlich gesagt, ich würde auch gleich ein Essen nehmen. Ich habe nämlich jetzt ernsthaft Hunger. Und umarmt werde ich sowieso am liebsten von meinen Freunden.

Um die ganze Erfahrung mitzunehmen und weil wir morgen wieder abreisen, stellen wir uns in die Schlange, die schon lang ist und immer weiter anwächst.
Mannomann, das muss ja eine tolle Umarmung sein, so wie die sich hier alle danach strecken. Vielleicht gibt’s ja doch was zu essen. Ich könnte.
Also bei mir gäbe es einen Automaten, an dem man Nümmerchen ziehen kann. Dann könnten alle im Sitzen warten. Je näher wir kommen, umso deutlicher wird der Herdencharakter der ganzen Veranstaltung: Die Wächter der Amma ziehen die Leute heran.
„Where you from, where you from?“, höre ich sie rufen.
Plötzlich bin ich dran.
Unsanft werde ich an die Brust der Amma geschubst.
„MeineLiebemeineliebemeineliebe“, murmelt sie mir ins Ohr.
Dann drückt sie mir etwas in die Hand und ich werde zur Seite gedrängt.
„Was ist das eigentlich?“, fragt ich Petra, als wir uns ein paar Meter weiter wiedersehen.
Das Päckchen entpuppt sich als ein Tütchen voller – wahrscheinlich heiliger – Asche und ein Zückerchen.
„Ich muss jetzt dringend was essen“, sage ich. „Und zwar mehr als ein Bonbon.“
Petra nickt. „Lecker Kölsch wäre auch schön.“
Aber natürlich ist das hier verboten.
„Das wird bei mir alles anders“, fange ich an, doch Petra hebt die Hand.
„Du willst doch nicht wirklich Guru werden“, sagt sie.
Die Stimme der Vernunft.
Ich überlege.
Die Personenschützer.
Die rosa Gefolgstürme.
Die langen Meditationszeiten
Und vor allem die Bierlosigkeit.
Wenn ich all das verändere, ist es einfach kein Ashram mehr.
Und ich hätte wirklich mal wieder Lust auf ein lecker Bierchen.
„Lass uns morgen abreisen“, sage ich schließlich zu Petra. „Die Karawane zieht weiter, der Guru hät Durst.“

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