Kochi, Kunst und Kohle

Kochi, die zweitgrößte Stadt in Kerala, hat mit Köln nicht nur den Anfangsbuchstaben gemein, sondern auch die „Schälsick“ … Also, Halbinseln, genauer gesagt. Hier trennt allerdings nicht ein Fluss die Stadtteile, sondern das Arabische Meer. Kochi vorgelagert sind einige Inseln.

Wir kommen auf dem Festland in einem Stadtteil namens Ernakulam an, fahren mit dem Bus auf großen Straßen an Gewerbegebieten und hässlichen Häuserkomplexen vorbei. In diesem Viertel haben Anne und ich einen Termin in der Reiseagentur, bei der wir nach viel Hin und Her eine Schiffsreise zu den benachbarten Lakkadiven reserviert haben. Jetzt wollen wir buchen.
„Ich freu mich so auf die Fische“, sagt Anne. „Und wenn es mit der Tauchbasis klappt, dann mache ich dort meinen Advanced Open Water Diver!“

Eine enge Außentreppe führt in das Büro, das den Look einer Garage besitzt. Von den niedrigen Decken hängen Leuchtstoffröhren und ein paar staubige Girlanden, die an das noch nicht lange vergangene Weihnachtsfest erinnern. Es fällt mir schwer, mir hier festive Stimmung vorzustellen. Ein Dutzend Mitarbeiter blicken angestrengt auf ihre Monitore und klappern brav in ihre Tasten.

Unsere zuständige Beraterin zählt die Eckdaten zu unserem geplanten einwöchigen Ausflug auf die Insel Kadmat auf: Doppelzimmer, Verpflegung inklusive, Anreise per Schiff, Geld sollten wir vorher abheben, da es auf der Insel keine Möglichkeit gibt …
„Es gibt keinen Geldautomaten auf der Insel?“, unterbricht Anne sie auf Englisch und hat sofort eine steile Problemfalte auf der Stirn. „Wie soll ich denn dann die Tauchbasis bezahlen?“
„Only cash“, betont die Mitarbeiterin. „But no problem, you can get money from the machine here.” Sie zeigt auf die andere Straßenseite.
„No, it‘s not possible!” Ich berichte von unseren gescheiterten Versuchen in den letzten zwei Wochen, Geld abzuheben. Meine Maestro-Karte macht es schon seit Varkala nicht mehr und mit ihrer kann Anne rund 80 Euro ziehen. Mehr bekommt man nur mit der Kreditkarte – und unsere haben in Indien noch bei keinem Automaten funktioniert.
Die Dame bleibt gelassen. „You have a credit card?”
„Yes. But it doesn‘t work …”
„No problem.“ Sie lächelt und bittet mich, ihr meine Karte zu zeigen. Nach einem kurzen Blick schiebt sie das Plastikgeld in ihr portables Bezahlgerät und gibt den Reisepreis für unseren Inseltrip ein. Das Gerät druckt knatternd einen Bon aus. Strahlend wackelt sie mit dem Kopf. „It works!“
Zumindest die Reise nach Kadmat ist gebongt.
Aber woher soll Bares fließen fürs Tauchen und Schnorcheln, dem eigentlichen Grund unseres Ausflugs?

Wir begeben uns auf die andere Straßenseite und versuchen es mit unseren Geldkarten der Reihe nach an jedem der vielen Automaten und in den Bankfilialen, die es in dieser nicht enden wollenden Geschäftsstraße gibt. Vergeblich. Selbst die Kreditkarte, mit der ich eben noch im Reisebüro gebucht habe, versagt konsequent ihren Dienst. Auch Anne kann nicht eine Rupie abheben.
„Wat soll dä Kwatsch?“, sage ich.
„Wat wells de maache?“, antwortet Anne. „Shit – trotz aller Gelassenheit im Kölschen Grundgesetz finde ich es wirklich doof, dass ich auf eine Trauminsel fahre und dort kein Geld zum Tauchen habe.“
Ich verziehe das Gesicht beim Anblick in mein Portemonnaie.
„Haha. Da laachs de disch kapott!“, sage ich und kann die Bitterkeit in meiner Stimme nicht verbergen. „Unsere Grundgesetze helfen jetzt auch nicht weiter. Wir brauchen Kohle!“
„Die treffen doch gerade sehr zu.“ Anne grinst. „Et es wie et es.“
„Ich hab Durst“, maule ich. “Ein Kaffee oder Tee wäre zur Abwechslung nicht schlecht. Drinks de ejne met?“
Wir bestellen am nächsten Büdchen heißen Chai.

Über eine lange Brücke lassen wir uns dann mit dem Tuk-Tuk auf die Halbinsel Fort Cochin bringen. Kleine Gassen, Häuser mit kolonialem Flair, Restaurants, sogar Cafés gibt es hier. Schnell hellt sich unsere Stimmung auf, wir suchen ein Zimmer und spazieren durch diesen zauberhaft schönen Ort zur Kaimauer mit den chinesischen Fischernetzen am Strand.
Es sind relativ viele Touristen unterwegs, denn zurzeit findet die Internationale Kunst-Biennale statt. Da müssen wir hin! Das Ticket kostet nur 150 Rupien. Keine Frage, da simmer dabei – und vergessen im Kunstrausch unsere Geldprobleme für einige Zeit.

Am Morgen holen sie uns wieder ein, denn schon am nächsten Tag soll die Reise losgehen, und so marschieren wir gleich nach dem Aufstehen zum nächsten Geldautomaten.
In der kleinen Kabine der Baroda-Bank schiebe ich meine Maestro-Karte in den Automaten. Sie funktioniert natürlich … nicht. Ich versuche es mit meiner Kreditkarte.
Ratter, ratter …
Schon erwarte ich, dass der Vorgang abgebrochen wird, aber … der Automat fragt mich plötzlich, wie viel Geld ich abheben will!
Meine Hände zittern vor Aufregung. Ich gebe die maximale Summe von umgerechnet zirka 80 Euro ein, die man mit der EC-Karte abheben kann. Es rattert und wenige Sekunden später, wir trauen unseren Augen kaum, spuckt das Gerät tatsächlich Geldscheine aus.
Wir jubeln. „Yeah, it works!“
Jetzt ist Anne an der Reihe. „Endlich – jetzt kann ich Tauchen gehen!“
Dann probieren wir es erneut, denn für so eine Inselwoche braucht man sicher etwas mehr Geld. Der Baroda-Bank-Automat gibt brav die Scheine aus.
Nun wieder Anne.
Dann ich.
Anne.
Ich.
Anne.
Ich.
Wir sind im Taumel. Im Geldrausch. Kriegen einen Lachanfall. Packen unsere Bauchtaschen und Geldbörsen voll mit dem schnöden Mammon.
„Nie wieder, nie wieder Geld-Automaten-Frust!“, rufe ich und wische mir die Lachtränen aus den Augen.
Anne holt die Clownsnase raus. „Tauchen kostet mehr als Schnorcheln“, sagt sie, zuckt mit den Schultern und macht weiter.

Danach gönnen wir uns am frühen Vormittag in einem Restaurant ein Bier – so was gibt es sonst auch nicht in Indien.
Ich muss immer noch lachen. „Wie kann es sein, dass es genau einen Tag vor dem Inseltrip klappt? Wir hatten doch die Hoffnung schon aufgegeben!“
Anne wischt sich den Bierschaum von den Lippen. „Et bliev nix wie et wor, will uns Indien sagen.“
Stimmt. Artikel 5 hatten wir ganz vergessen.
Ich will noch ein Bier bestellen.
Anne winkt ab. „Nee, lass mal: Maach et got, ävver nit zo off.“

Nun haben wir fast alle Kölschen Grundgesetze durch.
Kochi und Köln haben offenbar wirklich viel gemeinsam.

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Maggelei of the Tiger

„I want to help you, my friend“, sagt der Mann, der sich am Busbahnhof in Kumily an unsere Fersen geheftet hat. Er drängt uns in eine Ecke, greift schon nach Petras Rucksack. „My name is Zamir“, sagt er. „I want to help you.“ Er ist ein wenig kleiner als ich und hat eine drahtige Figur, seine kurzen dunklen Haare sind teilweise von einer Kappe bedeckt.

Es ist dunkel. Es ist spät. Wir haben gerade die Busfahrt aus der Hölle hinter uns, an Steilhängen vorbei und mit riskanten Überholmanövern in der Kurve. Morgen soll alles besser werden. Morgen wollen wir in den Nationalpark. Dort gibt es eine gute Chance, wilde Elefanten zu sehen.
„No“, sagt Petra, schüttelt den Kopf und zieht ihren Rucksack an sich, sieht an ihm vorbei. „We already have a hotel.“
Was ein bisschen geflunkert ist, denn wir haben uns zwar etwas herausgesucht, aber nicht reserviert. Der Name will mir partout nicht einfallen. Ich krame meinen Reiseführer heraus und blättere hektisch durch die Seiten.
„Where is it?“, will der Mann wissen.
Ich blättere weiter und atme dann auf. There is it nämlich. „Green View.“
„I take you there“, sagt Zamir. „It is my stay.“
Das ist ja ein Ding.
Was für ein Zufall!
„And is there still a room for us?“, will ich wissen.
Zamir nickt. „Come, come.“

Er führt uns zu einem Tuk-Tuk, in dem bereits ein Mann sitzt. „Please take a seat.
„We don’t go with two men“, sagt Petra entschieden und bleibt wie angewurzelt stehen.
Zamir spricht ein paar Worte mit dem anderen Fahrer, der darauf hin zur Seite rückt.
„You don’t trust me?“, fragt er, als er sich auf den Sitz schwingt. „You can trust me.“
Klar, denke ich. Warum sind wir auch immer so misstrauisch?

Auf der Fahrt erzählt uns Zamir von seiner Religion, wie wichtig es für ihn sei, vor höheren Mächten gut dazustehen. Dass das sein Leben verändere. Und dass es auch für das Leben nach dem Tod total wichtig sei.
Ich frage interessiert nach, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Glaube mein Leben verändern könnte. Würde ich mich dann auch anders verhalten – und wenn ja, wie? Erst zweifle ich, aber es hört sich plausibel an. Zamir hat offenbar hohe Ansprüche an sich und andere. Erstens sind wir bei ihm gut aufgehoben. Und zweitens kann sein Glaube vielleicht auch für mich irgendwann mal was verändern, wenn ich jetzt gut aufpasse.

Zamir hält vor einem hübschen Häuschen, in dessen Vorgarten einige Touris sitzen und Tee trinken.
„Let me see“, sagt er und ist schneller aus dem Tuk-Tuk, als wir gucken können.

Er geht mit forschem Schritt ins Haus, ein Wortwechsel, dann ist er wieder da. „My friend don’t have room“, meint er. „But he say next house, very nice, they have room.“
Na, wenn der Besitzer das empfiehlt, dann wird wohl alles mit rechten Dingen zugehen. Und Zamir ist ein ehrenwerter Mann.

Er fährt uns mit dem Tuk-Tuk ein wenig die Straße hinunter und hält vor einem anderen Haus. Nun, das Haus ist nicht so schön, und vor der Tür sitzt keiner, aber die Frau, die uns die Tür öffnet, ist freundlich. Und wir sind müde.
So müde, dass wir beinahe willenlos zuhören, was für Touren uns der ehrenwerte Zamir anbietet. Angeblich hätten wir zwei Tage im Vorhinein buchen müssen. Jetzt ist alles voll. Das, was wir wollen, die Borderhiking-Tour, können wir nun nicht mehr buchen, erklärt er uns, aber die Jeep-Safari wäre ohnehin viel besser für uns.
„But we don’t like to go by car“, sagt Petra. „We like to walk and borderhike.“
Ich nicke bekräftigend.
„Okay“, sagt Zamir, blättert durch die Kataloge. „But that is full.“ Er verzieht den Mund. „Jeep Safari is nice. Many animals. Go a longer way. And if you book tomorrow, maybe no place.“
Es ist spät. Wir sind müde. Wir nicken. Okay, bevor wir gar nicht in den Nationalpark kommen, nehmen wir doch lieber den Jeep.
Wir zahlen etwas an. Merkwürdigerweise hätte Zamir das gerne in Euro, warum nur?
Dann gehen wir aufs Zimmer. Im Bad wartet eine Kakerlake. Es ist kalt. Wir verkriechen uns unters Moskitonetz und schlafen sofort ein.

Am nächsten Morgen ist es immer noch kalt. Ich habe ein ungutes Gefühl, dass wir viel zu viel Geld angezahlt haben.
„Komm“, sagt Petra, weil unsere Wirtin kein Frühstück anbietet. „Wir gehen zum Green View. Vielleicht bekommen wir da etwas zu essen.“ Im Guide stand, dass der Gastgeber leckeres Frühstück im Angebot hat.

Suresh, der Besitzer des Green View, ist ein kleiner, rundlicher Mann mit einem Lächeln, das das gesamte Gesicht erleuchtet. „Good morning! What can I do for you?“
Wir bekommen Frühstück und erfahren so nebenbei, dass er doch noch Zimmer frei hat.
Komisch, aber Zamir hatte doch gestern nachgefragt?
Suresh bewegt den Kopf leicht und sieht uns ernst an.
„Well, yes, I know him“, sagt er nur über Zamir.
Wir erzählen von unserem gestrigen Abend, der raschen Buchung, und versuchen, in ihn zu dringen, aber er lässt sich zu keinem bösen Wort hinreißen.
„Look“, sagt Suresh nur, „the borderhiking tour is much nicer. The Jeep Safari is not even in the National Park. They take you to the border of Tamil Nadu, it’s a long ride, and you don’t see anything.“
Suresh ruft für uns im Nationalpark an. Dann reicht er uns eine offizielle Broschüre.
„The borderhiking is still free. Tell Zamir you went to the official place and they told you and ask him to please change. Don’t tell them I told you. Tell him to help you. It will all turn out good.“
Das versprechen wir. Na, hoffentlich geht das wirklich alles gut aus.

Nach dem Frühstück sehen wir uns sein Hostel an.
Das Green View hat einen wunderbar gestalteten Garten mit einem hohen Baum, in dem ein paar Affen herumturnen. Die Zimmer sind hell und freundlich, es gibt eine Terrasse, auf der eine junge Frau in der Hängematte liegt uns liest. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Und sofort sind wir uns einig: Wir ziehen um.

Was unsere Wirtin gar nicht gut findet, als wir es ihr verklickern.
Jeder Versuch, ihr zu erklären, dass wir ohnehin vorher ins Green View wollten, ist vergebens.
„Zamir lied to us“, sage ich. „It is not your fault. But we wanted to go to Green View before.“
„You go“, sagt sie schließlich und macht eine wegwerfende Handbewegung.
Wir greifen uns unsere Sachen, sagen der Kakerlake adieu und beziehen im Green View ein helles, schönes, warmes Zimmer mit Balkon.

Dann machen wir uns auf die Suche nach Zamir. Der Tuk-Tuk-Fahrer, der vor unserem Haus wartet, ist zufällig der Junge, den er gestern aus dem Taxi gekickt hat. Wir bitten ihn, uns zu Zamir zu bringen.
Auf dem Weg überlege ich fieberhaft, was ich zu ihm sagen kann. Mein Herz klopft.
Erst, als ich ihn am Straßenrand sehe, weiß ich es.
Ich atme tief ein. It will all turn out good, sagt Suresh in meinem Kopf, und ich glaube daran.
„Zamir, my friend!“, rufe ich lauter als normal. „Sooooo good to see you!“ Ich setze noch ein breiteres Lächeln auf.
Zamir reicht mir die Hand und lächelt ebenfalls.
„Look“, sage ich. „I have a big problem.“
I tell it like it is, baby. Da musst du jetzt durch, wenn ich dir mit der naiven Tour komme.
„What is it you want?“, fragt er.
Ich erkläre ihm, welche Tour wir buchen wollten, welche wir immer noch buchen wollen und dass er uns helfen muss, die zu bekommen, weil der Nationalpark sagt, es gebe doch noch Plätze.
Er guckt sparsam und will gerade ansetzen, als ich erneut Suresh in meinem Kopf höre: Tell him to help you.
„I know you want to help us“, sage ich. „You are an honorable man. I was very impressed by what you said about your religion. That you have such high standards and that you want to do the right thing always. And I trust you.“
Zamir sieht mich lange an. Man kann ihm geradezu beim Denken zusehen.
„But I have booked the trip already“, sagt er schließlich. „They keep ten percent of the price.“
Ich rechne nach, das sind ungefähr zwanzig Euro. Er zählt mir den Rest in die Hand.
„Okay, no problem.“ Ich staune – er hat sich tatsächlich darauf eingelassen.
Schließlich verabschieden wir uns. Ich bin erleichtert. Petra klopft mir im Tuk-Tuk auf die Schulter.
„Das hast du super gemacht“, meint sie. „Ich freue mich schon aufs Borderhiking morgen.“

Während wir noch im Tuk-Tuk sitzen, klingelt das Handy des Fahrers. Er geht dran, wechselt ein paar Worte und reicht es mir dann.
Es ist Zamir.
„What is your last name?“, will er wissen. „I need it for the booking.“
Ich sage es ihm. Als ich auflege, fällt der Groschen. Wenn er jetzt zum Buchen meinen Namen braucht, heißt es, dass er den Trip zuvor noch gar nicht gebucht haben kann. Ergo: Er hat die zehn Prozent einfach so eingestrichen.
Ich bitte den Fahrer, Zamir erneut anzurufen.
„Sorry“, sage ich. „I am a little stupid sometimes. You need my name for the booking?“
„Yes.“
„But why“, frage ich und muss lächeln. „Why did you not need it before? I mean, I believe you and your religion forbids you to cheat. But if did you not book the trip beforehand – why do we have to pay you ten percent?“
„That was not for me …“ Seine Stimme wird undeutlich. „It was for the tourist office. But let me see …“
„My friend, that is so nice of you. You are very helpful.“ Ich lasse ein Strahlen in meiner Stimme aufscheinen. „Will we see you tomorrow and you give me the money?“
Er macht ein unwirsches Geräusch. „Okay“, sagt er dann. „I will come by your hotel in the morning.“

Und das macht er dann auch, während wir auf den Spuren des Tigers durch den Periyar Nationalpark borderhiken und dort unversehens auf ein paar Elefanten stoßen, die einen Baum entblättern.

Als Suresh uns abends die Scheine in die Hand drückt, die Zamir dagelassen hat, sagt er: „It all turns out good.“
Und hat damit den ersten Artikel formvollendet wieder gegeben: „Et hät noch evver jot jejange.“
Wer braucht schon Religion, wenn er das Kölsche Grundgesetz hat?

PS: Namen und Orte wurden geringfügig geändert, um niemanden zu verletzen – nur das Green View nicht, ein bezaubernder Ort mit ausgesprochen netten Gastgebern!

Beitragsbild_Suresh

Komm nach Kumily!

Als die letzten kühlen Drinks aus diesem Fenster an der Bushaltestelle gereicht wurden,
war diese junge Frau noch nicht geboren.
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Schulkinder sind gehalten, bei nahenden Bussen die Beine in die Hand zu nehmen.
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Schön, dachte sich Petra, kurz vor dem Tod noch einmal der Kraft der Natur ins pralle Auge zu sehen.
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Die Teeplantagen bewegen sich so schnell, dass man sie kaum aufs Bild gebannt kriegt.
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Petra denkt spontan darüber nach, eine Ananasdiät zu beginnen.
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Eine schöne Frau entstellt nichts.
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Im Dschungel wird Anne oft für eine Holländerin gehalten.
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Welches Tier siehst du?
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Der Vergleich mit Petras Schuh zeigt: Dieser Elefant müsste mindestens Schuhgröße 57 haben.
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Petra mit Blutegelbeinschützern auf der Sperre, die das Dorf vor Rüsselträgern schützt.
Noch Fragen?
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Kaffee gefällig? Draußen nur Böhnchen.
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Wir wissen nicht, wie es euch geht, aber wir haben bei diesem Anblick schmutzige Gedanken.
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12 Uhr mittags. Petra nimmt die Fährte des Tigers auf.
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4000 Kalorien später.
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Das Leben kann so schön sein.
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Hätte Anne geahnt, dass die Spinne nach dem Mittagsschläfchen besonders angriffslustig ist, wäre sie für dieses Foto nicht bis auf zehn Zentimeter herangerückt.
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Die Kuh, auf der wir hergeritten sind, hat es nicht mehr lange gemacht.
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Hätte Anne geahnt, dass die Schlange nach dem Nickerchen besonders angriffslustig ist, wäre sie für dieses Foto nicht bis auf zehn Zentimeter herangerückt.
Indien AK 1313

Das Leben kann so schön sein, Teil 2.
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Wer hat den längsten?
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Besuch.
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Waschtag.
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Eine der begehrtesten Wohnlagen in Kumily ist rund um den Busbahnhof.
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Die drei von der Haltestelle.
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Man sieht es nicht, aber der Papierkorb steht direkt neben der Fotografin.
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Kumily für Dekoqueens: So machen Sie Ihre Sonnenterrasse frühjahrsfrisch.
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Ab sofort lässt Anne wirklich alles auf der Straße machen.
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Wer Kokosnuss auf indische Weise reibt, hat das Gefühl, auf einem fliegenden Teppich zu sitzen.
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Durch Showkochen ist Anne leicht zu beeindrucken.
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Diese zwei Frauen leiden gern unter Magenerweiterung: Zwei Mal die Bauarbeiter-Portion, bitte.
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Anne isst nicht nur gerne.
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Von hinten wie von vorne A.M.M.A.

Wir sind auf den Backwaters Keralas unterwegs in den Ashram der Amma, einem der wenigen weiblichen Gurus Indiens.
Ich habe noch nie einen getroffen, weder einen männlichen noch einen weiblichen. Und bei all der Spiritualität muss hier doch ein Funke des Kölschen Grundgesetzes zu entdecken sein.
Und dann ist da noch ein Gedanke: „Ob man auch in meinem Alter noch Guru werden kann?“, überlege ich.
„But why?“, fragt Petra und fächelt sich mit ihrem Reiseführer Luft zu. Eine Frage, die in Indien so ziemlich auf alles passt.

„Die haben ein angenehmes Leben, die Arbeit hält sich in Grenzen und sie haben immer Gesellschaft“, sage ich. „Außerdem können sie ihren Anhängern vorschreiben, was die tun sollen. Ich würde direkt mal ansagen, dass tierische Produkte out sind, Kokosraspeln und Polentaklößchen auf der schwarzen Liste stehen und dass bei meinen Zeremonien Depeche Mode gespielt wird. Noch Fragen?“
Petra grinst und schüttelt den Kopf.
„Guru kann man doch nicht werden“, sagt sie. „Guru ist man. Das war die Amma schon, als sie noch ganz klein war.“
Muss sie meine Hoffnung auf eine berufliche Fortentwicklung so rasch zerstören?

Gegen zwölf legen wir zu einem einfachen, aber köstlichen Mittagessen an. Neben gekochtem Reis duftet es aus den Töpfen nach Sambar, es gibt ein Curry mit grünem Gemüse, das ich als irgendetwas zwischen einer Bohne und einer Okraschote identifiziere, dazu scharfe rote Sauce mit eingelegten Limetten und Papadams.
Hoffentlich gibt’s im Ashram ordentliches Essen, denke ich. Das hält immerhin auch im Rheinland Leib und Seele zusammen. Wäre ich der Guru, würde ich so etwas wie das hier verordnen. Aber ich vergaß – das wollte ich mir ja abschminken.

Nach dem Futtern geht es noch eine Stunde weiter zwischen Palmen und einfachen Hütten über die ruhigen Fluten, bis linkerhand die rosa Hochhäuser des Ashrams auftauchen.
Wenig später gehen wir über die prächtige Brücke, die auf die Halbinsel führt, auf der die Mission liegt.

Nach dem Bezug des spartanisch eingerichteten, aber sauberen Zimmers im fünften Stock eines der rosa Ashramtürme, führt uns ein weiß gewandeter Holländer, der schon seit zehn Jahren hier lebt, über das Gelände. Die Amma hat zahlreiche soziale Projekte angestoßen und scheint in so ziemlich jeder Notlage zu helfen, sei es bei Erdbeben, Überschwemmung oder Bildungskatastrophe.
Check, denke ich: Wenn ich erst Guru bin, dann mache ich das auch. Ich muss nur rausfinden, was das Rezept der Amma ist. Dann kann ich es kopieren.

„Ihr hätt Glück, die Amma ist da“, erklärt uns eine Deutsche. „Bald macht sie ihre Tour dursch dä Süde, da hätt ihr kei Darshan bekomme.“
Darshan?
„Der Darshan ist eine Umarmung, jeder will des habe – des is das Special von de Amma“, sagt die Frau und lacht. „Des könnt ihr euch heut Abend glei gebe lasse, nach der Meditation am Strand.“
Am Strand?! Vielleicht geht da doch noch was für Quereinsteiger. Ich muss nur gut aufpassen und mir ein eigenes Special ausdenken. Wat däm ein sing Ül eß däm andere sing Naachtijall. Wär doch gelacht – der mache ich Konkurrenz!
„Ich könnt was essen“, sagt Petra.
Doch die Führung über das Gelände dauert so lange, dass wir sonst die Abendmeditation verpassen. Mit knurrenden Mägen eilen wir an den Strand.

Hunderte anderer Menschen sitzen schon auf Plastikstühlchen um ein Podest am Strand herum. Über uns in den Kokospalmen krächzen die Raben.
Kurz nachdem wir Platz genommen haben, geht ein Raunen durch die Menge. Die Leute erheben sich, ein Trupp Personenschützer rückt an, in der Mitte eine kleine rundliche Frau im Sari.
Also das mit den Wächtern finde ich doof. Wenn ich erst Guru bin, wird das abgeschafft.

Als die Amma auf dem Podest Platz genommen hat, beruhigt sich die Menge langsam, dann beginnt die Meditation.
Neben mir höre ich nach einer Weile ein Rascheln und Kichern. Ich pliense unter den geschlossenen Lidern hervor. Der weiß gekleidete Typ vor mir dreht sich um und grinst breit. Ich schaue zu Petra, die sich neben mir irritiert über den Kopf streicht und dann ihre Hand ansieht.
„Also, ich habe meinen Segen schon“, flüstert sie mir zu. „Mich hat gerade ein Rabe angekackt.“
Ehrlich gesagt: Ich finde, das ist viel lustiger als die Meditation.

Am Ende der Meditation stellt jemand Amma eine Frage und sie antwortet sehr ausführlich. Petras Magen rumort. Jemand übersetzt ausufernd, und bei mir macht sich die Langeweile breit. Alle lächeln beseelt. Mein Magen rumort.
„Wer nur heute hier ist, bekommt jetzt einen Darshan!“, ruft der Ansager schließlich. „Morgen gibt es noch mal Darshan nach dem abendlichen Mantrasingen. Mittags teilt Amma Prasad aus – gesegnetes Essen.“
Morgen?! Ehrlich gesagt, ich würde auch gleich ein Essen nehmen. Ich habe nämlich jetzt ernsthaft Hunger. Und umarmt werde ich sowieso am liebsten von meinen Freunden.

Um die ganze Erfahrung mitzunehmen und weil wir morgen wieder abreisen, stellen wir uns in die Schlange, die schon lang ist und immer weiter anwächst.
Mannomann, das muss ja eine tolle Umarmung sein, so wie die sich hier alle danach strecken. Vielleicht gibt’s ja doch was zu essen. Ich könnte.
Also bei mir gäbe es einen Automaten, an dem man Nümmerchen ziehen kann. Dann könnten alle im Sitzen warten. Je näher wir kommen, umso deutlicher wird der Herdencharakter der ganzen Veranstaltung: Die Wächter der Amma ziehen die Leute heran.
„Where you from, where you from?“, höre ich sie rufen.
Plötzlich bin ich dran.
Unsanft werde ich an die Brust der Amma geschubst.
„MeineLiebemeineliebemeineliebe“, murmelt sie mir ins Ohr.
Dann drückt sie mir etwas in die Hand und ich werde zur Seite gedrängt.
„Was ist das eigentlich?“, fragt ich Petra, als wir uns ein paar Meter weiter wiedersehen.
Das Päckchen entpuppt sich als ein Tütchen voller – wahrscheinlich heiliger – Asche und ein Zückerchen.
„Ich muss jetzt dringend was essen“, sage ich. „Und zwar mehr als ein Bonbon.“
Petra nickt. „Lecker Kölsch wäre auch schön.“
Aber natürlich ist das hier verboten.
„Das wird bei mir alles anders“, fange ich an, doch Petra hebt die Hand.
„Du willst doch nicht wirklich Guru werden“, sagt sie.
Die Stimme der Vernunft.
Ich überlege.
Die Personenschützer.
Die rosa Gefolgstürme.
Die langen Meditationszeiten
Und vor allem die Bierlosigkeit.
Wenn ich all das verändere, ist es einfach kein Ashram mehr.
Und ich hätte wirklich mal wieder Lust auf ein lecker Bierchen.
„Lass uns morgen abreisen“, sage ich schließlich zu Petra. „Die Karawane zieht weiter, der Guru hät Durst.“

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Zusatzartikel: „Nit alles, wat en Loch hät, is kapott“

„Such du dir einen aus“, sage ich zu Petra, immer noch ein wenig müde vom guten Essen im Coffee Temple in Varkala.
Wir haben beschlossen, mit dem Taxi nach Kollam, dem früheren Quilon, zu fahren. Die Kerle mit den kleinen Wagen stehen erwartungsvoll in einer Reihe.
„Wann hat man das schon mal?“, meint Petra. „An Männern mangelt es hier ja nicht.“
Und das gilt nicht nur für Taxifahrer.
Viel mehr Männer als Frauen hängen auf der Straße ab.

Auch das beste Stück des Mannes ist überrepräsentiert. Viele der Tempel in Tamil Nadu sind dem Lingam von Shiva gewidmet. Es gibt Steinpenisse in allen Größen und für jeden Geschmack. Sogar der Lonely Planet verspritzt angesichts schöner Exemplare eine Ladung fast poetisch anmutender Worte: Der Strandtempel in Mamallapuram habe zwei Dächer, las ich dort, auf deren Spitzen Shivas Penisse prangen, und diese „original Lingams fangen den Sonnenaufgang und -untergang wunderbar ein.“ Wie soll denn in so einem Penis was untergehen? Dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist, wissen im Grunde auch die Hindus. Manchmal wird der Lingam daher mit Yoni drumherum dargestellt – dann baden die Priester und Gläubigen die Skulptur auch gern mal in flüssiger Butter. Im Sri-Menaakshi-Tempel in Madurai wurde allerdings jüngst der gute Brauch verboten, dass die Gläubigen mit Butterkugeln nach dem besten Stück warfen: wegen der Rutschgefahr.

Der Geschlechtsakt ist also in Indien von kulinarisch-spiritueller Bedeutung: Mit kopulierenden Penissen und Vaginas wird die sexuelle Energie angebetet, die zur Erleuchtung führen soll, so hat es mir Christopher erklärt. So schön das klingen mag, die Einheit von Männlichem und Weiblichem und Göttlichem – im indischen Alltag findet man sie nicht wieder.

Männer rufen uns hinterher, ziehen uns in Läden und schieben sich durch die öffentlichen Verkehrsmitteln. Viele sind freundlich, aber manche rotzen auf die Straße, sind laut und schubsen uns beiseite. Diese Männer behandeln uns wie lästige Fliegen. Wie wir in Varkala an der Shoppingmeile erfahren haben, können auch manche Frauen nervig sein – aber sie sind einfach in der Minderheit.

„Ich habe gelesen, wie gefährlich es hierzulande ist, eine Frau zu sein“, sage ich, als wir die Rucksäcke verladen haben und schließlich in den Wagen steigen. Dabei denke ich an Vergewaltigungen, Brautverbrennungen und Touristinnenmorde. „Ich bin schon froh, dass wir zu zweit unterwegs sind.“

Fast jeder, dem ich zuvor von unserer Reise erzählt hatte, fühlte sich befleißigt, die Ängste vor dem Subkontinent zu schüren.
„Oh Gott, Indien!“
„Passt auf, dass ihr nicht vergewaltigt werdet!“
„Warum fahrt ihr nicht nach Teneriffa?“
Die Sorge von Freunden und Bekannten hat sicher mit dem Fall des brutalen Gang Rape einer 23-jährigen Studentin in Delhi im Dezember 2012 zu tun, der durch alle Medien ging. Aber auch ohne Gewalt sieht’s duster aus fürs so genannte schöne Geschlecht. Zwar haben die Frauen in Tamil Nadu und auch in Kerala größere Freiheiten als im Rest des Landes, aber von Gleichberechtigung ist das weit entfernt. Jeden Tag ist auf Seite eins der englischsprachigen indischen Zeitungen von einer Vergewaltigung zu lesen. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich doppelt so groß wie die meisten Männer bin. Was sonst den Kreis möglicher Partner verkleinert, ist hier ein großes Geschenk.

„Ach komm, denk mal an die Chinesin Delia, die wir getroffen haben“, erinnert mich Petra. „Der ging’s doch gut.“
Und auch die Belgierin im letzten Home Stay, denke ich. Aber Belgierinnen und Chinesinnen sind auch aus ganz anderem Holz geschnitzt. Die haut so leicht nichts um.

Was, wenn die gleichen Regeln aus Indien in Deutschland gelten würden? Dann hätte mein Arbeitgeber in Köln mich vielleicht bei Dienstantritt auf meine Jungfräulichkeit hin untersucht – so wie indische Frauen dies vor dem Eintritt in den Polizeidienst über sich ergehen lassen müssen. Oder ich hätte zwar studieren können, wäre aber bei Heirat natürlich ins Heim und an den Herd berufen worden. Nur 10 Prozent der Parlamentarier in Indien sind Frauen. Da ist doch mal eine Quote fällig.

„What’s your good name?“, fragt unser Fahrer.
Als er mir über die Lehne hinweg nach hinten die Hand reicht, ergreife ich sie. Davor warnt der Reiseführer, das weiß ich, aber manchmal mache ich es aus Reflex doch.
Habe ich mich geirrt, oder hat er gerade mit dem Daumen über meine Handinnenfläche gerieben?
Ach komm, das wird schon nichts bedeuten, denke ich mir. Das habe ich mir bestimmt eingebildet.

Nach einiger fruchtloser Plauderei, die an seinem schlechten Englisch scheitert, bei der wir aber erfahren, dass er ledig ist, setzt er uns vor dem Hotel in Quilon ab.
Der Hof vor dem Hotel ist triste, im Rinnstein liegen alte Plastiktüten und Orangenschalen.
Petra geht schon mal vor, um die Unterlagen auszufüllen, ich bleibe mit dem Fahrer zurück, um mich um die Bezahlung zu kümmern.
Ich drücke dem Fahrer einige Scheine in die Hand. Er ergreift meine Rechte, tätschelt mit der Linken zuerst freundlich meine Schulter, so als wollte er mich an sich ziehen. Mit einer aalglatten Bewegung fährt er mir dann plötzlich mit der Linken über meine Brust, ohne meine Hand loszulassen. Mitten auf der Straße, am helllichten Tag. Vor einigen Tagen habe ich Petra erklärt, da solle nur mal einer versuchen, mich anzutatschen. Und jetzt? Stehe ich da wie vom Donner gerührt. Meine linke Gehirnhälfte möchte ihm gerne eine knallen, meine rechte verharrt in der Schockstarre, während ich ihn seelenruhig in sein Taxi steigen und davonfahren sehe.

Petra, die aus dem Hoteleingang kommt, will gut gelaunt ihren Rucksack ergreifen. Sie sieht mich an. „Was ist denn?“
„Der Typ eben …“, sage ich und erzähle ihr von dem unerfreulichen Erlebnis. „Das gibt’s doch nicht!“
„Ab jetzt nur noch Namaste mit zusammengelegten Händen“, sagt sie pragmatisch. „Und Abstand halten.“
Weil die Stadt Kollam recht unansehnlich ist und das Erlebnis noch nachwirkt, reden wir an diesem Tag lange darüber, wie sehr Indien in Hinblick auf Frauenrechte ein echtes Entwicklungsland ist. Vieles hier ist wunderbar, wir haben zauberhafte Menschen getroffen – männlichen und weiblichen Geschlechts -, aber eben auch viel Unrecht und Ungleichheit gesehen. Und heute bin ich wie schon oft froh und dankbar, in einem fortschrittlicheren Teil der Welt zu leben. In Köln.

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Wein, Weib, Varkala

Unser Zug sticht aus den Fortbewegungsmitteln Indiens sofort heraus. Er ist genauso bequem und sauber wie er rosa ist und von einem Einhorn gezogen wird.
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Selbst durch den roten Nasenfilter kann dieses Reisegruppenmitglied die Zugtoilette riechen.
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Diese Menschen wissen, wo sie einsteigen.
Wir wüssten gerne, wo wir aussteigen.
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In Varkala angekommen überlegen wir sofort ein Remake von „The Fog – Nebel des Grauens“ zu drehen. Dann fallen uns nach der langen Zugfahrt die Augen zu.
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Strandbesucher nehmen sich bei der Ankunft ein Wattebäuschchen, um sich den Schweiß abzutupfen.
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Petra hat sich für das günstige Shopping an der Promenade extra einen großen Rucksack mitgebracht.
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Unser Hotel liegt in praktischer Nähe zum Friedhof.
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Auch hier liegt das Vogelreservat direkt neben der Müllkippe.
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Während die anderen Tauben im Sand umhertollten, hatte Winfried immer ein Auge auf ihre Badelatschen.
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Manche Menschen machen wirklich alles, nur damit man am Strand nicht ihre Cellulite sieht.
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Beste Freundinnen stellen sich den Fluten gemeinsam.
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Von Tamila aus Trichy wissen wir: Das Paar am rechten Bildrand ist bereits mehr als drei Monate verheiratet.
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Bei diesem Anblick ist Anne erleichtert, dass man ihr noch nichts aus den Rippen geschnitten hat.
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Petra nannte ihn sofort Lucky. Anne fiel es schwerer, Freundschaft zu schließen.
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Magic Madurai

Höflicherweise greifen die Menschen in Madurai nur nach dem obersten roten Ball.
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Je länger Petra hier ist, umso öder findet sie ihre eigenen Klamotten.
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Diese Frau lächelt aus Dummheit. Sie ahnt nicht, dass Briefkästen in Indien nur der Dekoration dienen. Alle anderen wissen: Indische Post kommt nur an, wenn der Postmitarbeiter sie vor den eigenen Augen abgestempelt und in den richtigen Sack getan hat.
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Petra weiß schon beim Aufstehen, was sie hier bestellt. Das Sri Sabareesh Tagesmenü.
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Eines von vielen Thalis auf Bananenblättern im Sri Sabareesh. Das ist ohne Witz das beste Essen der Welt.
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Wir überlegen zu Hause ähnliche Blumenornamente zur Mittagszeit aufzulegen.
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Petra ist ein geselliger Mensch und findet schnell neue Freunde. Heute: im Erlebnispark neben dem Ghandi-Museum.
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Ghandi war ein super Typ, hatte aber leider eine Sauklaue.
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Kölner wissen: Elf Gesetze, das ist eine gute Zahl.
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Ghandi kann man in dieser Stadt auch rauf und runter lassen.
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Anne erlebt ein neues erstes Mal. Diesmal mit Jack’s Frucht.
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Für Petra ist der Sri-Meenakshi-Tempel der schönste, den sie je gesehen hat. Anne findet ihn schon deswegen super, weil er so vielen Tauben ein Zuhause bietet.
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Anne hat wegen Christopher nicht so viel vom Tempel mitbekommen. Denkt Petra.
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Gläubige finden hier die Erklärung für Multitasking. Für Ungläubige wirft dieser Tempelausschnitt anatomische Fragen auf.
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Petra grinst nur, weil sie davon ablenken will, dass sie keine Ahnung hat, wat der Driss mit dem Pöttchen im Pöttchen soll.
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Büdchen auf Indisch.
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Honni und Breschnew im Karnevalskostüm?
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Verliebt in Madurai

„Du wirst dich in Madurai verlieben“, ruft Petra, die mit ihrem schweren Rucksack hinter mir her durch das Gedränge auf dem Busbahnhof von Trichy hastet.
Woher weiß sie das? Hat Indiens Spiritualität so stark auf sie gewirkt, dass Petra jetzt schon in die Zukunft gucken kann? Und selbst, wenn: Ich bin doch gar nicht auf der Suche nach einem Mann!
Um diesem komplexen Gedankengang Ausdruck zu verleihen, reicht meine Kraft in der Hitze nicht. „Hä?“, rufe ich zu ihr zurück.
„Madurai soll die Seele von Tamil Nadu sein“, schreit Petra. „Der Reiseführer sagt, dass wir an diese Stadt unser Herz verlieren werden.“
Ach so. Dann bin ich ja beruhigt.

Wir quetschen uns vorbei an einem Stand, an dem fettige Samosa-Gemüseteigtaschen und duftende scharfe Pakoras feilgeboten werden. Obwohl das Duschwasser aus dem Krishna Inn noch nicht lange auf meiner Haut getrocknet ist, merke ich, wie mir ein Rinnsal Schweiß über den Rücken läuft.
„Maderimaderimaderi!“, ruft ein Mann in khakifarbener Uniform wie ein Maschinengewehr. „Maderimaderimaderi!“

Petra bleibt bei ihm stehen. „Excuse me, Mister. Is this the Bus to Madurai?“
Er bewegt den Kopf ein paar Mal hin und her. Noch vor Wochen hätten wir angenommen, dass er die Frage verneint. Jetzt wissen wir: Jawoll, das ist unser Bus.
Wir erklimmen die steilen Stufen ins Businnere, streifen die Rucksäcke ab und lassen uns auf den Sitz fallen.

Madurai, so erklärt mir Petra, soll die geheime Hauptstadt von Tamil Nadu sein.
„Als Kölner sind wir dann ja hier genau richtig“, meine ich. „Immerhin denken wir ja auch, dass wir in der heimlichen Hauptstadt leben.“
„Ich bin doch keine Kölnerin.“ Petra schaut mich empört an. „Ich bin Norddeutsche und lebe nur in Köln!“
Stimmt natürlich, schließlich ist sie in Jarmen in Meckpomm geboren.
Aber haben die Jahre in der Domstadt nicht doch ein bisschen abgefärbt?

Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein Pärchen. Die junge Frau, fast noch ein Mädchen, hat feine Gesichtszüge, ihre glänzenden schwarzen Haare schauen unter dem Schal des Saris hervor. Sie dreht sich zu uns herum, lächelt und nickt zum Gruß. Dann reicht sie uns eine Tüte mit viereckigen Süßigkeiten aus Erdnüssen und Karamell, die auch an den Ständen im Bahnhof verkauft werden, und köstlich auf der Zunge schmelzen.

„Maderimaderimaderi!“
Außer dem Schlachtruf des Busfahrers dringen Stimmengewirr, Hupen und anfahrende Wagen zu uns herein. Durch das trübe Frontfenster, auf dem außen POINT TO POINT steht und innen ein Sticker mit den rundlichen Zügen von Shiva klebt, sehen wir einige Männer rennen, die kurz darauf das Innere unseres Gefährts erklimmen.

Der Mann in der Uniform klettert nun ins Fahrerhäuschen und lässt den Motor aufheulen. Es riecht intensiv nach Benzin. Er drückt ein paar Mal auf die Hupe – ein schier unerträglich lauter Sirenenton. Es ist so heiß, dass der bunte Hippierock, den ich mir gekauft habe, an meinen Beinen klebt und wir beide auf unserer Plastiksitzbank vor uns hin schwitzen, selbst an den Unterarmen.
Der Fahrer manövriert mit so viel Schwung rückwärts aus der Busparklücke, dass wir uns an der Metallstange des Vordersitzes fast die Zähne ausschlagen.
Petra und ich sehen uns an.
„Ich liebe Busfahren in Indien!“, rufen wir gleichzeitig.

Das Pärchen lehnt sich zurück. Der Mann legt den Arm um seine Liebste, seine Hand liegt lässig auf der Lehne.
Wie schön! Der Busfahrer kurvt um die Ecken, als wäre dies sein allerletzter Trip – und hier im Bus wird nicht nur Petra und mir warm vor Glück. Mit dem Fahrtwind kühlen wir etwas ab, das Gefühl bleibt.

Nach einer vierstündigen Fahrt mit Pinkelpause und Stippvisiten in allen kleinen Orten auf dem Weg, erspähe ich schließlich auf den staubigen Werbetafeln am Straßenrand das Wort Madurai. Wenig später schlingern wir durch eine Straße, die ihren Haupterwerb aus dem Verkauf von Zwiebeln zu ziehen scheint.
„Falls du mal weinen möchtest, solltest du vielleicht hierher kommen“, meint Petra trocken.
„Weinen? Soll ich mich etwa unglücklich in diese Stadt verlieben?“
Sie lacht und schüttelt den Kopf. „Jedenfalls geht Liebe durch den Magen. Hunger?“
Eine blendende Idee. Indisches Essen liebe ich nämlich sehr. So sehr, dass ich froh bin über die Hose mit Gummibund, die mir ein Schneider in Mamallapuram angefertigt hat.

Nachdem wir unser Gepäck in der Unterkunft deponiert haben, beginnen wir mit der Futtersuche. Der Reiseführer schlägt ein Restaurant in der Nähe vor. Mit dem Buch in der Hand fahnden wir danach.
„Where you headin?“ Ein großer, kräftiger Mann mit heller Haut und Basecap hält uns an. Ami? Neuseeländer? Australier?
Kanadier – und klassischerweise auch noch Holzfäller.

Wir kommen ins Gespräch, und da Christopher gerade ebenfalls der Hunger plagt, sitzen wir bald darauf in seinem Lieblingsgasthaus, dem Sri Sabareesh in der Nähe des Bahnhofs. Es quillt schier über vor Menschen, denen die Küchenjungs ein Bananenblatt vorlegen, auf das sie aus verschiedenen Töpfen Reis, Pappadams und bunte, wohlriechende Soßen und eine Art würzigen Kartoffelsalat klatschen. Ein typisches indisches Mittagessen, dieses Thali, das immer wieder nachgefüllt wird, solange man hungrig ist.
„Mmmmmh.“ Petra steckt sich mit den Fingern noch etwas Reis mit Sambar in den Mund, dann noch ein wenig würzige Kartoffelmatsche hinterher.
Ich bin schon satt, knabbere aber trotzdem noch an einer in Salzlake getrockneten Chilischote, gar nicht scharf, eher aromatisch.

Christopher war als Kind mit seiner Mutter in Oshos Ashram.
„Ich verbringe hier den Winter“, erklärt er. „Ist günstig, und was soll ich zu Hause sitzen, wenn ich da ohnehin keine Arbeit habe?“
Ihn interessieren Religion, Sprache und Geschichte und so ist er auf der Suche nach neuer Lektüre – so sehr, dass er jedes Jahr ein paar Kilo Bücher nach Hause schickt. Er hat vor, zur Buchmesse nach Kalkutta zu fahren.
„Da habt ihr ja was gemeinsam“, ruft Petra entzückt. „Anne ist Autorin und sie fährt jedes Jahr auf die Buchmesse in Frankfurt.“
Ihre Augen glänzen, während ihr Blick zwischen uns hin und herwandert.
„Die Preise der Post sind allerdings gestiegen, dieses Jahr werden es wohl weniger“, meint er und wischt sich mit der Hand über den Mund. „Vielleicht nur zwanzig Kilo.“
Der Typ ist nett. Aber wann will er das alles nur lesen?
„Es gibt eben so viele interessante Bücher“, sagt er und erzählt von einem, das belegen soll, dass alle Religionsführer eigentlich Yogis waren.
Ich runzele die Stirn. Hätte ich das nur gewusst, als ich mich mit dem Thema Religion beschäftigte.

„Habt ihr Lust, in den Tempel zu gehen?“, fragt Christopher.
„Au ja“, ruft Petra. „Anne findet es bestimmt toll, wenn du uns begleitest!“
Nun, warum nicht.
Auf dem Weg zum Tempel geht sie in einigem Abstand hinter uns her. Christopher und ich unterhalten uns zwar angeregt, aber ich werfe immer wieder einen Blick zurück, um zu sehen, ob sie nicht verloren gegangen ist.

Der Sri-Meenakshi-Tempel ist einer der schönsten, die wir bisher gesehen haben, das Essen war eines der leckersten, die wir je gegessen haben, und Madurai hat ein angenehmes Tempo, eine sehr relaxte Atmosphäre.
Trotzdem scheint irgendetwas mit Petra nicht in Ordnung zu sein. Sie ist so still.

„Alles okay?“, frage ich sie, als wir im Tempel die Deckenverzierungen bewundern.
„Wenn ihr gerne mehr Zeit zusammen verbringen möchtet, dann unternehme ich einfach was alleine.“ Petra sieht mich erwartungsvoll an.
Warum schlägt sie das vor – ich bin doch mit ihr hier? „Aber der hat doch bestimmt keine Zeit. All die Bücher, die er noch lesen muss.“
„Ich glaube, dem bist du nicht egal“, sagt sie.
Ich zucke mit den Schultern.

Erst, als wir wieder auf der Straße sind, fällt bei mir der Groschen. „Ach, du meinst, Christopher könnte der Grund sein, warum ich mich in Madurai verliebe?“
„Na klar, hübsch ist er ja. Und Holzarbeiter. Der kann sogar eine große Frau wie dich hochheben.“
Ich muss lachen und schüttele den Kopf.
Christopher ist nett. Ob er ein Mann für mich wäre, weiß ich nicht.
Was ich allerdings weiß: Petras Jahre in Köln haben tatsächlich auf sie abgefärbt. Oder zumindest der Karneval, in dem es hauptsächlich um das Eine geht.
Ich beginne eine bekannte Melodie zu summen.
„Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust …“
Nun muss auch Petra schmunzeln.

Ich lasse den Blick schweifen. Das bunte Treiben um mich her gefällt mir. Eine ayurvedische Apotheke, die überquillt vor Töpfchen, Tübchen und Tiegelchen. Ein Kunstgeschäft, indem dunkle und bemalte Holzarbeiten angeboten werden. Eine Gruppe von Frauen mit bunten Saris und einige Männer, die vor einem Haus Chai aus kleinen Gläsern trinken.
Ja, ich bin bereit, mich zu verlieben.
Vielleicht erst mal in diese Stadt.

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Trichy? Tipptopp!

Eine Elvis-Inkarnation in Indien? Für Anne Grund genug, wieder an das Gute im Manne zu glauben. Und das auf der Fahrt von Chidambaram nach Tiruchirappalli, kurz Trichy.
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Ob Trichy viele Menschen zum Weinen bringt? Der Weg in die Innenstadt führt jedenfalls über die Zwiebelstraße.
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Da sage noch mal einer, kariert und gestreift ginge nicht zusammen.
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Erst nach dem Foto erfuhr Anne, dass es sich bei dem Segnungsmal auf ihrer Stirn um abgeflammten Kuhfladen handelte. Petra war froh, dass sie es abgelehnt hatte, da sie sich selbst für Gott hält.
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Der Rock Fort Temple ist nach einem berühmten Käse benannt. Diesen gibt es in ganz Indien aus religiösen Gründen nicht zu kaufen. Glaubt ihr’s?
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Anne ist begeistert von den lebensnahen Taubenskulpturen auf dem Tempeldach.
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So sehen Tempeltoiletten aus.
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Poori Masala: Annes Brot geht fein aufs … äh, ins Töpfchen.
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Wir fragen uns, ob man sauberer aus dem Fluss kommt, als man hineingestiegen ist. Scherz beiseite: Dies ist eine Totenzeremonie.
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Ziegen sind willige Anhänger des Hinduismus. Jedenfalls, solange es Bananenblätter gibt.
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Anne gefällt der Tempel. Petra das Gerüst.
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Noch grinst Petra. Dann bekommt sie vom Tempelelefanten eine gewischt.
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Szenen einer Ehe: Unser Fremdenführer Tamila und Petra stellen pantomimisch dar, wie es drei Monate nach der Hochzeit zwischen Mann und Frau aussieht. Nicht mehr Hand in Hand, wie beim Honeymoon, sondern nebeneinander her, wie es sich gehört.
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Next point: Madurai!
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